Spoilergefahr!
Hach, was war The Last of Us für ein Meisterwerk. Die gemeinsame Reise von Joel und Ellie war auf vielen Ebenen einfach nur perfekt. Vor allem aber die starke Beziehung, die sich im Laufe des Spiels immer mehr entwickelte und entfaltete, seine Höhen und Tiefen hatte & glaubhaft erzählt wurde, trug dazu bei. Das Ende schließlich ließ bereits auf einen zweiten Teil hoffen, welcher ja dann in diesem Jahr endlich erschien.
Ich brauchte lange, sehr lange um The Last of Us Part II zu Ende zu spielen, anders als den ersten Teil oder die Uncharted Spiele, die ich alle innerhalb 2-3 Tage durchspielte. Ich rätselte warum ich nicht die Motivation aufbringen konnte weiterzumachen, aber bei den Credits habe ich bemerkt, wie emotionslos mich das Spiel zurückgelassen hat.
Natürlich ist The Last of Us Part II kein schlechtes Spiel, im Gegenteil. Die wunderschönen Landschaften und Animationen, die kinoreifen Kameraführungen und Schnitte, sowie das Wordbuilding setzten erneut neue Maßstäbe. Und auch die Story glänzt immer wieder, aber im Gesamten ist The Last of Us Part II für mich ein schlechter Nachfolger.
Das fängt bei dem Design der Story an. Im ersten Teil hatte man nicht das Gefühl, dass irgendein Abschnitt unnötig ins Spiel implementiert wurde. Entweder war solch ein Abschnitt relevant für die Story oder die Beziehung der Charaktere. Im zweiten Teil hingegen zieht sich einiges. Da sei zum Beispiel der erste Tag in Seattle genannt. Der größere „Open World“-Abschnitt ist nett, enthält aber wenig wichtiges. Viel mehr wird man Zeuge einer herumscherzenden Ellie, die gerade vor kurzem erst den Verlust von Joel hinnehmen musste. Kein Problem, wenn man aber bedenkt, dass Ellie am Ende des Spiels keine Ruhe findet, ohne Rache an Abby verübt zu haben, wirkt das schon unglaubhaft. Die bittere Ellie kommt meist nur in den Szenen zum Vorschein, wenn sie einen der Mörder Joels tötet. Hier könnte man auch die Entwicklung Ellies nennen, die ja auch tatsächlich merkt, dass keines dieser Morde ihr in irgendeiner Weise hilft. Und anstatt aus ihren Fehlern zu lernen, will sie Abby trotzdem töten. Obwohl sie dieses wunderschöne, idyllische Familienleben führt. Am Ende tötet Ellie Abby doch nicht, die Möglichkeit war jedoch da. Warum aber wagt sie nicht diesen finalen Schritt? Sie hat hunderte Menschen getötet ohne zu zögern, hat ihre Familie aufgegeben und schafft den letzten Schritt nicht, obwohl es kein nennenswertes Ereignis gab, was sie von ihrer Rache hätte so abrupt abhalten können. Glaubhaft, wenn das bereits in Seattle passiert wäre, nicht aber in Santa Barbara. Ein Abschnitt der sich anfühlte, als hätte man diesen hinzugefügt, weil die Spielzeit zu kurz wäre.
Aber auch der Abschnitt mit Abby hat sich massiv in die Länge gezogen. Natürlich wollte Neil Druckmann damit die unglaubliche Tatsache aufzeigen, dass hinter jedem Menschen eine Geschichte steckt und auch Abby einiges durchmachen musste, genau wie Ellie. Aber die ganzen Ziele á la gehe ins Aquarium oder dann ins Krankenhaus haben sich unnötig in die Länge gezogen.
Des Weiteren werden in The Last of Us Part II verschiedene Themen behandelt, nicht nur die einer postapokalyptischen Welt. Einige dieser Themen wurden bereits zu Release sehr oft verspottet. Dazu will ich nur sagen, dass ich es gut finde, dass Neil Druckmann eben diese aufgegriffen hat, vor allem heutzutage. Offenheit und Akzeptanz ist das, was der Gesellschaft am meisten fehlt. Wer hier also die LGBT-Charaktere kritisiert, einfach weil sie da sind, dem fehlt es definitiv an den besagten Einstellungen. Aber trotzdem will ich hier etwas anmerken. Man sendet keine Botschaft offener zu sein, einfach in dem man besagte Charaktere in die Geschichte einfügt. Es gekonnt in die Story einzubetten muss das Ziel sein, es natürlich und nicht aufgedrungen wirken zu lassen. Nehmen wir Lev als Beispiel. Er sorgt sich um seine Mutter, ist stark und kann kämpfen. Trotzdem wird er in den Gesprächen mit Yara und im Hochhaus auf dem Weg Richtung Krankenhaus auf die Sexualität begrenzt, einen tieferen Charakter hätte ziemlich gut getan. In anderen Worten: Müsste man Ellie im Gesamten beschreiben, fallen einem sehr viele Charaktereigenschaften ein, die man nennen könnte. Bei Lev ist es seine Sexualität und dass er sich um seine Verwandten sorgt. Dadurch wirkt es eben nicht natürlich in die Geschichte eingebaut. Ich hätte mir also gewünscht, wenn man den Abschnitt überhaupt im Spiel haben muss, dass man mehr Charakter von ihm zu sehen bekommt und es fließend in seine Person übergeht.
Aber kommen wir zu meinem größten Kritikpunkt, der im Kern der Story liegt. Teil 1 ging vor allem um die Beziehung zwischen Ellie und Joel, sowie dem Umgang mit der Immunität Ellies. Wie bereits erwähnt, endete Teil 1 mit der Lüge von Joel. Diese Lüge lässt gespannt hoffen, welche Auswirkungen diese hat. Das wird durchaus im zweiten Teil behandelt und aufgegriffen, aber nur als kleine Nebengeschichte. Natürlich sollte man dem Spiel nicht die Schuld geben, etwas anderes als Part I zu machen, aber wenn der erste Teil in dieser Art endet und das dann kaum im Nachfolger aufgegriffen wird, dann schon. Und auch der frühe Tod Joels ruiniert seine Geschichte. In Part I noch einer der besten Videospielcharaktere überhaupt, wird er in Part II degradiert und lässt Platz für eine Dina oder einen Jesse, die ungefähr so viel Charaktertiefe wie Steve aus Minecraft haben. Und wenn Joel mal auftaucht, wirkt er gebrochen, schwach, unvorsichtig und nicht wie der Joel, den man kannte. Auch die erwähnte Immunität wird eigentlich gar nicht mehr thematisiert. Rache ist ebenfalls keine Thematik mit tiefem Kern, ein weiterer Rückschritt, wenn man sich den Vorgänger anschaut, der gekonnt die Frage von Verlustängsten und Identität aufgreift.
Nochmal, ich finde das Spiels keineswegs schlecht, aber an die Reise zweier Ausgestoßener die sich quer durch Amerika kämpfen, kommt es nicht ran.