Die Welt der Spiele schreitet in rasantem Tempo voran. Neue Trends werden geboren, wachsen für eine kurze Zeit und werden noch im Kindesalter wieder weggeworfen, weil Interessensverschiebungen heutzutage enorm schnell geschehen. Das Zeitalter der kurzen Aufmerksamkeits-/ Interessensspanne von Konsumenten hat aber auch etwas Positives an sich: ständig muss sich die Spielebranche neu erfinden, ständig müssen neue, interessante Spieleelemente entwickelt oder bestehende Konzepte weitergedacht werden, um den launischen Kunden bei Laune zu halten. Dies resultiert in die immens vielfältige Spielelandschaft, in der wir uns heute befinden, mit seinen wunderschönen klassischeren Gebieten, die im hellen Licht der Aufmerksamkeit liegen, aber auch den erfrischend kleineren, seltsamen Orten, die in den Nischen der Welt im Zwielicht ruhen.
Doch dieser ständig aktive Sturm an Trends und Konzepten, die momentan die Spielelandschaft zieren, existierte nicht immer. Früher war alles ruhiger und friedlicher, nicht nur die Welt der Spiele, sondern auch ihre Bewohner. Genauso wie die Kunden einfacher zufriedenzustellen waren, zielten die Spiele selbst auch auf präzisere, direkte Spielerfahrungen ab. Einerseits war dies natürlich den Möglichkeiten der Technik verschuldet, andererseits waren aber auch die Erwartungen der Spielerschaft weitaus geringer. Eine schöne Zeit, wo die Spezies Konsument und Entwickler im Vergleich zur Gegenwart harmonischer und gutmütiger koexistierten.
Ob die Zeit damals wirklich besser war oder nicht, will ich hier gar nicht diskutieren. Es soll stattdessen eher um eine Schatzsuche in den Ruinen alter Tage gehen. Ruinen, die trotz ihrer Einfachheit und für heutige Standards Unbrauchbarkeit, die Fundamente unserer heutigen Spielelandschaft bilden.
Für solch eine Reise muss man gar nicht so weit in die Vergangenheit reisen, wie man zunächst denken mag. Man muss nicht in den klobigen 70ern und auch nicht in den wilden 80ern herumsuchen. Selbst die seltsamen 90er kann man überspringen. Es lassen sich weitaus frischere Überbleibsel dieser friedlicheren Tage entdecken, wenn man denn nur einmal genauer hinblickt. Das erste Uncharted, veröffentlicht im Jahre 2007, bietet einen wundervollen Einblick in diese verstaubte Architektur vergangener Zeiten.
Natürlich ist Uncharted: Drakes Schicksal ein modernes Spiel. Geschmeidige Animationen, hübsche Dschungeltempel und wundervoll komplexe Inszenierungstechniken mit Kamera und Dialog bilden das saftige Fleisch dieses Spiels. Doch wenn man hinter diese Fassaden blickt, eröffnet sich ein höchst simpel konstruiertes Knochengerüst. Der Einfluss der Uncharted-Reihe ragt bis in die Gegenwart und vermutlich auch weit in die unbekannte Zukunft. Doch alles begann mit dem Fundament.
Der einfache Aufbau, von dem ich hier spreche, zeigt sich in den einzigen drei Kernmechaniken, auf denen der gesamte erste Ableger der Uncharted-Reihe aufbaut. Drei Säulen, die den gesamten vorhin erwähnten Rest stemmen. Diese drei Säulen heißen: Run and Gun, Rätseln, und Klettern
Allein die Tatsache, dass Uncharted: Drakes Schicksal nur auf diesen drei simplen Gameplayelementen basiert, ist bereits ein Überbleibsel jener alten Zeiten. Während die meisten Spiele heutzutage, ausgenommen natürlich ein Teil des Indie-Marktes, versuchen so viele komplexe Spielmechaniken wie möglich in ihre Spiele zu drücken und damit möglichst viele Spielerfahrungen in ein Gesamtpaket zu verpacken, beschränkte man sich früher auf lediglich 1 – 3 relativ einfache Mechaniken, die zusammen mit der Inszenierung in eine präzise, eingerahmte Spielerfahrung resultieren sollten. Ein Super Mario Bros. verarbeitet das Prinzip Springen zu einem ganzen Spiel, ein Doom macht Laufen und Schießen (oder Run and Gun) zu einem. Genauso beschränkt sich Uncharted 1 auf die oben erwähnten, sehr einfachen Mechaniken. Nathan Drake kann 1. laufen und schießen, 2. klettern und 3. Rätselobjekte herumschieben, nicht mehr und nicht weniger. Sobald man diese Elemente aus dem Spiel entfernen würde, würde Uncharted 1 seine gesamte Interaktivität, und somit auch die Bezeichnung „Videospiel“, verlieren.
Natürlich zeichnet ein Spiel mehr aus als nur seine Gameplayelemente. Aber selbst die Geschichte und seine Erzählweise besteht aus Techniken und Konzepten, die heutzutage nicht mehr verwendet werden, da sie als veraltet gelten. Die Geschichte selbst besteht aus lediglich einer Schatzsuche, die innerhalb von knapp zehn Stunden linear wegerzählt wird. Es gibt keine Nebengeschichten oder Verästelungen der Hauptgeschichte, keine Nebencharaktere, nicht einmal Rückblenden oder Vorwegnahmen, nur einen großen Spannungsbogen und einen klassisch zweifarbigen Protagonist/ Antagonist-Konflikt. Wenn wir erneut einen Blick in die Gegenwart werfen, zu The Last of Us beispielsweise, sehen wir dort mehrere größere und kleinere Spannungsbögen, viele Nebencharaktere, die auftauchen und wieder verschwinden, höhere Symbolik und Moral, keine eindeutige Schwarz-Weiß-Malerei von Gut und Böse usw. Das zeichnet The Last of Us und alle anderen Geschichten heutzutage, inklusive aller folgenden Uncharted-Ableger, als modern aus. Die Narrative von Uncharted 1 passt da überhaupt nicht hinein.
Die folgenden Spiele der Uncharted-Reihe bauen spielmechanisch und erzählerisch auf dem ersten Teil auf, entwickeln diese Elemente aber weiter. Somit ist die ganze Reihe eine wunderbare Verkörperung von der Entwicklung der Videospielindustrie als gesamtes. Man entwickelt sich Schritt für Schritt vom einfachen, nahbaren Spiel zu einem komplexen Blockbuster, der versucht mehrere Spielerfahrungen in eine zu packen. Dies ist natürlich oft nichts negatives, sondern beschert uns die hervorragenden Spiele, wie wir sie momentan am laufenden Band erhalten.
Ob diese Entwicklung des High-Budget-Bereiches der Industrie nur positive Eigenschaften nach sich zieht, oder sich mit der steigenden Komplexität der Spiele auch größere Probleme einschleichen, ist ein völlig anderes Thema. Aber selbst fern von dieser konstruktiven Diskussion über den Zustand der Spieleindustrie und der Spielerschaft, lohnt es sich immer mal wieder die Wurzeln und die Entwicklungen zu betrachten, aus denen die Umstände der Gegenwart resultiert sind. Die Zeit fliegt rasant an uns vorbei, die Spiele werden immer größer und komplexer, die Mechaniken entwickeln sich immer schneller weiter. In dem Sturm der Gegenwart ist es wichtig, hin und wieder auch innezuhalten und zurückzublicken. Uncharted: Drakes Schicksal, der Anfang einer der berühmtesten Spielreihen überhaupt, ist perfekt dafür geeignet. Ein Relikt aus alter Zeit, welches bis in die Gegenwart überlebt hat, verpackt in ein modernes Gewand.