Videospiele sind die höchste Form von Kunst. Diese Haltung wird heutzutage immer öfters vertreten, je mehr die Spiele in ihrem Tiefgang und ihren Aussagen wachsen und gedeihen. Das Medium etabliert sich langsam aber stetig darin, da die meisten Sinne und Wahrnehmungsmöglichkeiten, die ein Mensch besitzt, sich in Videospielen vereinen. Sie erregen audiovisuell und sind interaktiv.
Dadurch dass sich die Branche aber in laufendem Wachstum befindet, zieht dies auch Konsequenzen nach sich, die drohen das Ganze wieder in den Ruin zu reissen, wobei Lootboxen und unfertige Spiele nur die Oberfläche der Probleme darstellen. Die Spiele werden lieblos und mit finanziellen Zielen hergestellt, enthalten keinerlei Substanz oder versuchen nur bereits erfolgreichen Mustern nachzuahmen. Verfolgt man diesen Trend in die Gegenwart erhält man das Ergebnis des Grossteils der heutigen Videospiele: riesige offene Welten, die zum Platzen gefüllt sind mit künstlichen Spielestreckern, wie Collectibles, weil das eigentliche Spiel selbst nicht genug zu überzeugen weiss. Während dem Spielen hängt der Blick länger auf der Mini-Map als auf dem eigentlichen Spiel selbst und die Immersion verkommt zur Abarbeitung von Quests. Die Geschichten zeichnen öfter als nötig die Standart-Narrativen auf, die man als Medienkonsument bereits in und auswendig kennt. Die Spiele werden so hart simplifiziert, dass man eigentlich sein Gehirn gleich ausschalten kann, was manchmal nicht schlecht sein muss, auf Dauer aber abstumpft.
Shadow of the Colossus, welches nun als HD Remake veröffentlich wurde, zeugt von einer anderen Zeit. Es ist eigentlich selbst, wie die Kolosse darin, ein Relikt aus einer alten Zeit als alles noch simpler war, als Spiele noch nicht 50+ Stunden lang sein mussten, als man den Spielern noch zumutete selbst denken zu können und als ein Spiel auch eine Erfahrung sein konnte und nicht die Verfolgung des höchsten Levels oder der stärksten Waffe.
Der Hauptteil dieser Review soll das HD Remake von Shadow of the Colossus als eigenständiges Spiel betrachten, da das Original vermutlich bereits genug alt ist, dass viele ihn noch nicht selbst spielen konnten. Der Vergleich zum Original folgt im letzten Abschnitt.
Ein von Herzen reines Spiel
Dass Shadow of the Colossus ein Beweis dafür ist, dass Videospiel ein kunstvolles Medium ist, zeigt sich bereits von Anfang an. Es wird nicht viel Zeit verschwendet mit einer ausgiebigen Vorstellung von Figuren und Spielwelt, die in irgendeiner Art komplex zusammenhängen. Vielleicht tun sie das, vielleicht auch nicht, es liegt am Spieler dies für sich herauszufinden. Das Spiel begnügt sich damit dem Spieler einen simplen, aber kraftvollen emotionalen Hook zu geben, der ihn durch das ganze Spiel hindurch motiviert: Rette deine Freundin. Manchmal braucht man halt nicht mehr. Der Rest des Spiels beinhaltet keinerlei Erzählung einer Geschichte, sondern überlässt es dem Spieler, was er aus dem Aufbau der Welt, der Musik und anderen kleinen Details zieht. «Environmental Storytelling» vom Feinsten. Das Grundthema aber ist typisch japanisch: Mensch gegen Gott. Allein zum Ende hin wird die Klammer, die am Anfang aufgemacht wird, sehr befriedigend und emotional geschlossen und stellt ein grossartiges Ende für das Spiel dar.
Zwischen diesen zwei Klammern, also dem anfänglichen emotionalen Griff und dem hervorragenden Ende, liegt ein von Herzen reines Spiel. Keine Mini-Map, die in ihrer Präsenz das Spiel überragt, keine einsammelbaren Gegenstände, die die Spielzeit künstlich strecken möchten, kein Fähigkeitenbaum, der vom Spiel ablenkt. Ein reines Spiel, die die Erfahrung als Ziel hat.
Die Steuerung ist ebenfalls so intuitiv, dass keine Tastenanzeigen an den Bildschirmecken notwendig sind. Shadow of the Colossus überlässt es dem Spieler sich einzufinden und das funktioniert sehr gut.
Selbst die Spielwelt ist so intuitiv aufgebaut, dass einzig ein Lichtstrahl nötig ist, um die ungefähre Richtung des nächsten Kolosses aufzuzeigen, worauf man dann als Spieler sofort den Weg erkennt, egal ob da noch ein massives Gebirge oder ein dichter Wald dazwischenliegt.
Einige Punkte, die hier der Spielerfahrung schaden, ist die Belegung der Steuerung, die sich an einigen Stellen seltsam falsch anfühlt, aber änderbar ist, genauso wie die sehr schwammige Steuerung des Pferdes und teilweise auch des Protagonisten selbst. Es kommt leider gelegentlich vor, dass man gegen Wände reitet, weil schlicht die Steuerung den Input des Spielers nicht schnell genug umsetzt. Diese Probleme sind dicke Steine im ansonsten tollen Spielfluss und -gefühl.
Kolossale Inszenierung
Den Kern des Spiels bilden aber hauptsächlich die 16 Kolosse und diese vereinen alles, was man zum Spiel sagen könnte. Sie sind wunderschön aber furchterregend, mysteriös aber dabei nicht einmal so unähnlich wie der Mensch selbst. Jeder Koloss in diesem Spiel ist eine eigene, einzigartige Erfahrung. Sie sind der andere Teil beim Kampf von Mensch gegen Natur, den Shadow of the Colossus aufzeichnen möchte. Sie sind lebende Wesen, wie der Protagonist und jeder ihrer Tode ist traurig und bittersüss; süss wegen des Sieges und des Fortschritts im Spiel, episch weil jeder Kampf in einer anderen Form die berühmte David-Goliath Geschichte verkörpert, aber auch traurig, da diese Geschöpfe in ihrer Epik und Pracht dennoch nicht vor dem allgegenwärtigen Tode geweiht sind. Die Kämpfe sind eigentlich allesamt eher Rätsel, fühlen sich aber dennoch genauso prachtvoll und heldenhaft an, wie ein richtiger Kampf es tun würde.
Diese einzigartige Erfahrung der Kämpfe wird nur noch unterstrichten von der Musik, die in epischer und trauriger Natur gleichauf mit dem Erlebnis mitspielt. Jedes Stück ist einzigartig, meist in gewohnten Tönen und Instrumenten gespielt, jedoch vermögen sich hin und wieder ein paar fernasiatische Klänge hineinzuschleichen. Diese Vermischung gibt der Welt und den Kolossen zugleich, ein fremdes aber auch vertrautes Gefühl. Dies ist keine andere Welt und das sind keine anderen Wesen, im Kern sind wir alle gleich. Auch hier wieder möchte man die Musik von Shadow of the Colossus als einzigartig bezeichnen.
Ein Problem, welches man den Kämpfen mit den Kolossen anmerken muss, ist, dass die Hitboxen, sowie der Fluss der Kämpfe manchmal ein wenig an den Nerven zehren können. Im positiven, aufregenden Sinn, sowie im negativen. Die Hitboxen sind nicht wirklich sauber und eher Interpretationssache (Was hat mich jetzt getroffen und wie?) und mit Stocken von Kampfluss ist vor allem das Warten gemeint, das man gelegentlich betreiben muss, weil man will, dass der Koloss irgendeine Bewegung macht, die nötig ist, um ihn zu besiegen. Dies ist aber nicht weiter schlimm und behindert das Spielgefühl im Nachhinein nicht im Geringsten.
Was die anderen audiovisuellen Komponenten anbelangt ist Shadow of the Colossus alles, was man sich wünscht, mit nur winzigen Kritikpunkten. Die Welt sieht atemberaubend aus, aber nicht nur in Texturenschärfe, sondern auch in Design; Wälder, Berge, Wasserfälle und riesige Sandmeere. Jedes neue Gebiet löst bloßes Staunen aus und die Abwechslung ist riesig. Shadow of the Colossus entscheidet sich hierbei für eine weitgehend leere und stille Welt, was sehr gut umgesetzt ist und in hohen Massen zur beklemmenden Atmosphäre beiträgt. Technisch gesehen lassen allein die weiten Graslandschaften nachladende Wiesen erkennen, sowie ferne Gebiete, die undetailliert erscheinen bis man sich ihnen nähert. Dennoch erhält man, wenn man durch diese Welt reitet, ein Gefühl der Epik, wie sie nur schwer zu beschreiben ist.
Ein Punkt, der hier noch hervorgehoben werden sollte, ist der Bereich des Sounds. Damit ist nicht erneut die Musik gemeint, sondern die Soundeffekte allgemein. Vom Knirschen der Kieselsteine unter den Füssen des Protagonisten, über die Schreie der Kolosse, alles erscheint hier grandios abgemischt und produziert. Die Soundeffekte sind knackscharf und lassen die Immersion in unendliche Höhen schiessen. Soundeffekt ist normalerweise ein Punkt, der nicht wirklich besonders auffällt, hier aber hebt er sich von anderen Titeln deutlich ab.
Ein durch und durch perfektes Remaster
Was den Vergleich zur Originalversion auf der PS2 oder der PS3 angeht, muss sich Shadow of the Colossus keine Kritik anhören. Das Spielgefühl ist ähnlich bis gleich, alte Spieler finden sich ohne Probleme wieder in das Gameplay, nur ist der Spielfluss nun besser. Grafisch muss sich das Spiel, wie vorhin bereits erwähnt, nicht im Geringsten vor aktuelleren Spielen verstecken, übertrifft sogar einiges, was Design und Stimmung angeht. Gameplaytechnische Details, wie das Klettern, welches sich „lose“ anfühlt und dadurch enorm zur Spannung beiträgt, wurden ebenfalls problemlos und spiegelgleich umgesetzt. Ein perfektes Remaster – gleiches Spielgefühl nur in zeitgemässer, grandioser Technik.