Das Metro-Franchise genoss seit dem Release ihres ersten Videospiel-Ablegers im Jahr 2010, aber auch davor schon in kleinerer Form anhand der tollen Bücher von Dmitry Glukhovsky, eine treue Gefolgschaft und wurde seit anhin von vielen als ein grobes, aber doch funkelndes Juwel des Endzeitgenres angesehen. Was das Franchise mit den ersten beiden Teilen aber niemals so recht schaffen konnte, war es sich vollkommen im Massenmarkt zu etablieren. Vielleicht waren die Spielmechaniken teils zu außergewöhnlich, vielleicht hielten aber auch die kleinen Problemchen und Fehlerchen, die man in allen Bereichen der Spielerfahrung finden konnte, das Franchise ein wenig zurück.
Das Genre des Singleplayer-Shooters liegt in einem kleinen Boom. Mit Spielen wie Wolfenstein, Doom, oder auch Far Cry bekommt die Spielerschaft so viel qualitativ hochwertigen und puren Singleplayer-FPS geliefert, wie selten zuvor. Entwickler 4A Games möchte nun mit Metro Exodus auch etwas vom Kuchen abhaben. Metro Exodus ist größer, komplexer und ambitionierter als je zuvor. Doch schaffen sie nun den Sprung in die Welt der Giganten?
Eines vorweg: Selten gibt es wohl solch ein Spiel wie Metro Exodus, was so vieles so grandios macht, aber auch so vieles so miserabel.
Wenn die Zahnräder nicht greifen
Eine Geschichte in einem Videospiel zu erzählen bedarf immer mehrerer Komponenten, die mehr oder weniger gut miteinanderarbeiten müssen, damit die Geschichte sowohl auf emotionaler als auch auf dramatischer Ebene funktionieren kann. Wenn einige Zahnräder im Getriebe nicht nachkommen oder wackeln, wird die gesamte Erfahrung davon beeinflusst.
Bei Metro Exodus greifen die Zahnräder teilweise gar nicht. Das Spiel liefert eine im Grunde interessante Story-Idee, nämlich dass von einem Atomkrieg zerstörte Welt doch nicht so ausgestorben ist wie vorerst gedacht, und befestigt diese Idee dann an einer äußerst wackligen Erzählung und Präsentation. Die Dialoge beispielsweise, die diese Geschichte vermitteln sollen, sind teilweise unglaublich hölzern und klobig geschrieben, nehmen sich gleichzeitig aber so ernst, dass immer wieder an Peinlichkeit grenzende Momente entstehen, die weder Emotion noch irgendeine Art von Spannung vermitteln können. Parallel dazu, als ob das geplant gewesen wäre, ist das Voice-Acting (englische Sprachausgabe) teilweise stark inkonsistent und steif. Die goldene Himbeere auf dieser grauen Inszenierungs-Torte bildet dann die Technik selbst, die in Mimik und Gestik ebenfalls auf voller Linie versagt.
Durch dieses Zusammenspiel von schrecklich hölzernen Dialogen, steifem Voice-Acting und fast nicht vorhandener Mimik und Gestik der Spielfiguren verkümmert die eigentlich interessante Hauptgeschichte beinahe komplett. Auch eine seltsame Designentscheidung ist, dass Protagonist Artjom selbst nicht spricht. Das wirkt teilweise sehr deplatziert und wieder für die Immersion kontraproduktiv. Es gibt sogar Momente, in denen die Nebenfiguren fast schon die vierte Wand durchbrechen und auf Artjoms Stummheit Anspielungen machen. Diese Momente sollen wohl lustig sein, wirken im Endeffekt aber nur seltsam.
Die Hauptgeschichte wird nur noch teilweise von faszinierenden Nebencharakteren, Bösewichten und Fraktionen gerettet, die tolle, abwechslungsreiche Motive, Hintergrundgeschichten und Persönlichkeiten erhalten. Beispielsweise gibt es bereits im ersten Kapitel des Spiels nach dem Prolog eine fanatisch-religiöse Gruppe, die sich im Ödland verkriecht und jegliche Elektrizität als Sünde verurteilt. Der Mensch müsse zur Natur zurückkehren, das würde die Art der Welt nach dem Atomkrieg zeigen. Großartige Idee, die zu wunderbaren Momenten in der Hauptgeschichte führt.
Was die Hauptstory auch etwas rettet ist das Gefühl von Wärme, die der Zug an sich erzeugt. Zwar ist die erzählerische Präsentation hier nach wie vor gleich schlimm, jedoch schafft es Metro allein durch das Konzept eines Zuges, in dem Leute aus den verschiedensten Orten und Hintergründen zusammenleben und zu einer Art Patchwork-Familie werden, ein wohliges Gefühl von Zugehörigkeit und Liebe zu erzeugen.
In den Ruinen vergangener Tage
Obwohl die Hauptgeschichte in fast allen Belangen scheitert, sollte man Metro Exodus nicht als kompletten Fehlschlag abtun. In den Momenten, in denen dem Spieler die Freiheit zur Erkundung der grandiosen offenen Level gegeben wird, in denen das stumme Storytelling durch schlichte Beobachtung der großartigen Welt einsetzt, in denen Tag und Nacht, Regen und Sonne den Spieler einfangen, in diesen Momenten funktioniert Metro Exodus. Das Spiel hält sich in diesen Bereichen sehr langsam aber dadurch sehr passend zur gesamten, bedrückten Atmosphäre, belohnt den Spieler für jegliche noch so kleine Neugier. Das sehr gute Crafting/ Loot-System trägt dabei sehr zu diesem Belohnungsgefühl bei.
Die Welt ist nicht eine große, zusammenhängende, sondern bildet sich aus mehreren kleineren Leveln, die man im Verlauf der Hauptgeschichte wechselt. Diese verschiedenen Level sind alle sehr abwechslungsreich, einzigartig und wunderschön, was mit jedem Wechsel eine Aufregung mit sich bringt. Auch sind sie hervorragend konstruiert, wirken organisch und bauen immer wieder kleinere Rätsel und Hindernisse ein, ohne künstlich zu wirken.
Zur Erkundung und dem Weltdesign kommt das nahezu perfekte Schießgefühl. Das Schießen fühlt sich satt und schwer an, die Gegner sind nicht leicht zu treffen, die Waffe selbst nicht leicht zu handhaben. Jedes Upgrade an der Waffe macht einen Unterschied. Dazu ist die Munition exakt so gesät, dass man niemals großen Überschuss hat, aber auch nie ein Frustgefühl empfindet, weil man die ganze Zeit mit zwei Kugeln herumstapft. Jede Kugel ist wertvoll, jeder Schuss gewichtig. Das (meist) langsame Gameplay, das grandiose Erkundungsgefühl, die unheimlich dichte Atmosphäre und die kleinen Nebengeschichtchen in der Welt funktionieren großartig zusammen.
Trotzdem muss auch noch erwähnt werden, dass Metro ein gewisses Dilemma mit sich trägt: Das Spiel weiß in gewissen Bereichen außerhalb der freien Erkundung nicht so recht, ob es mit seinem Gameplay ein langsames, atmosphärisches Erkundungsspiel sein möchte, oder ein schneller Action-Shooter mit Far Cry-ähnlichen Set-Pieces. Die Erkundungspassagen funktionieren in ihrer Langsamkeit wie schon erwähnt wunderbar, aber immer mal wieder wird der Spieler mit schnellen Action-Sequenzen beworfen, wo die Spielmechaniken nicht mithalten und diese Sequenzen sehr hakelig wirken lassen. Von einer Kürzung dieser Stellen, oder sogar vollkommen Entfernung, hätte die letztendliche Spielerfahrung doch sehr profitiert.
Technischer Schweizer-Käse
Auf technischer Ebene gibt es ein paar Grobheiten und viel Lobenswertes. Die allgemeine Inszenierung und Präsentation der Welt (nicht Story) ist grandios, die Texturen sehr scharf, genauso wie die Sound- und Lichteffekte. Die Animationen der Gegner, sowie Figuren sind doch sehr steif und hölzern. Die Monster sind ebenfalls furchterregend, was für deren Design spricht. Besonders gut sind die Lichtspielereien, an denen sich Metro versucht, indem es teilweise komplette Areale in vollkommene Dunkelheit taucht und den Spieler nur im Licht seiner Taschenlampe sehen lässt, oder Lichtquellen allgemein in den Levels toll in Szene setzt. Gelegentlich waren im Spiel Aussetzer im Sound zu hören, sowie abgehackte Übergänge im Soundtrack.
Auch ist die K.I., die von 4A Games hierfür besonders beworben wurde, eher Mittelmaß. Die Gegner sprechen sich ab und organisieren sich, was wirklich den Schleichpassagen ein gutes Gefühl gibt, jedoch halten sie diese Absprachen immer noch nicht davon ab gegen Wände zu laufen oder seltsame Wege zu gehen.
Technisch ist Metro Exodus größtenteils sehr lecker. Aber doch kommt man teilweise nicht darum herum sich zu fragen, ob die Löcher wirklich so groß sein mussten.