Kratos und seine God of War- Reihe gehört zu den berühmtesten und ikonischsten Hausmaskottchen von Sonys Spielekonsolen, doch leider hatte der aschebedeckte Schreihals in seinen letzten Ablegern ein wenig an Luft verloren. God of War III bildete 2010 einen krönenden Abschluss des blutigen Göttergemetzels und ein spielerischer und inszenatorischer Höhepunkt schien erreicht. Die folgenden zwei Spiele vermochten, obwohl die Qualität der Spiele eigentlich gut war, das Feuer der Reihe nicht erneut zu entzünden und Kratos versank in der Asche der Vergangenheit. Dementsprechend war der Jubel riesig als Santa Monica Studios an der E3 2016 die ersten Bilder eines komplett neuen Kratos zeigte. Der immerwütende Spartaner sah nun alt und geschafft vom Leben aus und hatte plötzlich einen kleinen Sohn an der Seite. Das Gameplay war überraschend entschleunigt und stimmungsvoll, es wurde kein Auge von einem riesigen Titanen ausgestochen, sondern in einem Wald während schwachem Schneerieseln nach Hirschen gejagt. Das Maskottchen Sonys sollte somit seinen Weg in die moderne Art der Videospiele finden. Die durchgehende Banalaction der früheren Teile sollte mit tiefgehendem Storytelling und einem Ruhe-Action Gemisch ersetzt werden. Die blutrünstige Jagd nach Rache, sollte mit einer bodenständigen Vater-Sohn-Geschichte übertrumpft werden. Nun stellt sich endlich nach Jahren der Warterei die Frage; Schafft Kratos den Sprung in die Moderne?
Erzählerische Probleme
Die Geschichte von God of War beginnt gleich bei einem hochemotionalen Moment und gibt dem Spieler ein einziges und simples Ziel. Die Mutter von Atreus ist gestorben und hat sich gewünscht, dass ihre Asche auf den Gipfel eines bestimmten Berges gebracht wird. Überraschenderweise bleibt dies für sehr lange Zeit auch der einzige Hook des Spiels und vermag leider zu Beginn nicht so ganz zu funktionieren. Das Interesse des Spielers wird durch die vielen Mysterien der Geschichte, seiner Welt und Charaktere zwar anfangs geweckt, doch im Verlaufe des Spiels bleibt so vieles unerklärt, dass auch der Spieler langsam den Anschluss und das Interesse verliert. God of War gibt dem Spieler die meiste Zeit keinerlei Erklärung zu sehr vielen Storypunkten, allen voran dem dieses mysteriösen Berges, sondern zieht ihn schlicht mit seinen Gameplay mit. Stetig fragt man sich, warum man genau all diese Gefahren auf sich nimmt und was denn der Sinn dieser Expedition sein soll. Der Spieler fühlt sich in der Geschichte ein wenig verloren, bis er es schliesslich akzeptiert und die Verfolgung dieser aufgibt. Die Story zieht im Verlauf des Spiels deutlich an, bleibt aber stets durchschnittlich. Geheimnisse und Subtilität sind zwar der Schlüssel, um die Faszination des Spielers zu ziehen, jedoch wurde hier ein wenig damit übertrieben. Einzig kleinere Aspekte oder Elemente der Geschichte, die man während seiner Reise entdeckt, vermögen wirklich das Interesse des Spielers zu entfachen und zu faszinieren. Der Rest sind rein inszenatorische und charakterliche Reize keine erzählerischen.
Genauso ergeht es dem Spieler mit den Gebieten, auf die man während seiner Reise stösst. Das Abenteuer führt den Spieler durch etliche magische und bezaubernde Gebiete, die sich hervorragend spielen und atemberaubend aussehen, aber erzählerisch keinerlei Substanz zu besitzen scheinen. Die Welt(en) von God of War fühlt sich nicht organisch oder echt an. Sie sind grandios gebaut und machen immensen Spass zu durchqueren, falls man aber nach erzählerischem Inhalt in den Orten sucht, dann erkennt man sehr schnell, dass sich hier in diesem Aspekt nicht viel Gedanken gemacht wurde. Diese Tatsache wäre eigentlich auch total in Ordnung, schliesslich muss nicht in jedem Gebiet in jedem Videospiel eine seitenlange Hintergrundgeschichte stecken, es wirkt aber mit dem tiefgehenden Anspruch, den das Spiel vor allem mit seinen Hauptfiguren Kratos und Atreus zeichnet, dissonant und unpassend. Die Beiden sind brilliant stimmungsvoll und faszinierend geschrieben und haben soviel Tiefe, die Welt, die sie durchqueren sind aber leicht erkennbar nüchterne Videospiellevel.
Die Charaktere tragen das Spiel
Schnell erkennbar ist, dass die interessante Story hier nicht die Bergbesteigung an sich ist, sondern die emotionale und spannende, charakterliche Geschichte von Vater und Sohn, die komplett von den brillanten beiden Hauptfiguren Kratos und Atreus getragen wird. Diese beiden sind die Verkörperung der Modernisierung von God of War. Modern sein heisst sich von banalen schwarz-weiss, gut-böse Figuren zu trennen und graue, tiefgehende Charaktere mit Problemen, Hintergründen und Schwächen zu zeichnen. Das gelingt God of War von der ersten Minute an grossartig. Das Spiel versteckt die Hintergründe seiner Charaktere, genau wie seine Geschichte allgemein, hinter einem dichten, undurchschaubaren Nebel, aber lässt Hauptcharaktere Kratos und seinen Sohn Atreus auf so reale Weise auftreten, dass der Spieler nicht anders kann, als ständig darüber nachzudenken, was in den Köpfen der Figuren steckt und wie sie sich gerade fühlen. Durch den Auftritt und die Darstellung der Figuren merkt der Spieler sofort, dass viel Tiefe in diesen Beiden drinsteckt. Die Subtilität ist hier im Gegensatz zur Hauptgeschichte, genau passend dosiert,. Dieses durchgehende Interesse des Spielers stellt eine feste Bindung von ihm zu den Figuren her und weckt tiefe Emotionen: man lacht, weint und bekommt Gänsehaut mit Atreus und Kratos. Die beiden Hauptcharaktere vermögen es nicht ganz den schwachen Hauptplot vergessen zu lassen und sind selbst manchmal Opfer davon, wie zum Beispiel, dass Kratos’ stets extrem nichts aussagenden Dialoge etwas nervend und voraussehbar sein können, doch funktionieren davon abgesehen hervorragend. In diesen Figuren steckt mehr als man direkt erfährt und dieses «mehr» wird ebenfalls durch tolles Voice-Acting und Animationsarbeit subtil, aber perfekt kommuniziert. Das Spiel nimmt sich die Zeit dafür und schätzt seine Hauptcharaktere sehr und das merkt man.
Dasselbe gilt leider nicht für viele der Nebencharaktere, die etwas deplatziert und auch wieder zu unerklärt wirken. Beispielweise begegnet man anfangs einer «Hexe des Waldes», die zwar immer wieder vorkommt, von der wir aber zu lange Zeit gar nichts erfahren, ausser dass sie immer wieder aus dem Nichts Orten auftauchen kann und gerne die berühmte Rolle des «Deus Ex Machina» übernimmt. Nicht alle Nebencharaktere sind schwach geschrieben, erblassen aber im Angesicht der beiden Hauptfiguren.
Das Pendel zwischen Bedächtigkeit und Action
God of War mag in seiner erzählerischen Ebene grobe Mängel haben, doch das macht das Spiel vor allem durch sein Gameplay wieder wett. Santa Monica Studios vermag hier eine perfekte Mischung an ruhigen, stimmungsvollen Momenten und actiongeladenen Gänsehautkrachern zu finden. In ruhigeren Momenten vermag sich die Welt über den Spieler zu ergiessen und ihn in visueller Schönheit zu ertränken, man erfährt kleine aber wichtige Dinge über die Charaktere in den meist tollen Dialogen, die diese Augenblicke füllen. Man vergisst sogar für eine Zeit die künstlich wirkende, «videogamey» Welt.
In schnelleren Momenten überzeugt God of War mit seinem abwechslungsreichen Kampfsystem ebenfalls vollkommen. Das Kämpfen fühlt sich auch durch die dynamische Interaktion mit der Umgebung grandios an und erhält sogar mit dem vielfältigen Skillsystem Wiederspielwert. Kratos steuert sich butterweich, wodurch man sich umso besser fühlt, wenn man Horden an Gegnern auf verschiedenste Arten niedermetzelt. Die Mechanik des «Axt-Zurückrufens» soll hier nochmal besonders gelobt werden. Selten fühlte sich ein Gimmick so befriedigend und episch an. Der einzige erwähnenswerte Mangel des Kampfsystems wäre, dass allein die Anvisierung von Gegnern in den schnellen Kämpfen ein wenig zu grob und langsam schien. Da empfehlt es sich schlicht darauf davon abzusehen und mit einer freien Kamera zu spielen. Natürlich verzichtet God of War nicht vollkommen auf seine berühmten Quick-Time-Events und streut sie hier jedoch sparsam und passend ein. Diese Momente sind ebenfalls animationstechnische und inszenatorische Highlights. Bei all den Kämpfen spielt ebenfalls die Zusammenarbeit mit Atreus eine grosse Rolle und funktioniert problemlos und trägt sogar sehr zur Harmonie und Dynamik der Charaktere bei.
Der eigentliche Star des Spiels
Mit der One-Shot-Kamera führt Santa Monica Studios ein technisches Element ein, welches hiernach noch viel kopiert werden wird. Die Kamera, die den Figuren durch das gesamte Spiel hindurch komplett, ohne Schnitt und Ladezeit folgt, ist eine geniale Idee ohnegleichen. Die Ladezeiten sind geschickt versteckt oder sogar in schöne Momente eingehüllt. Die Immersion wird hierdurch so stark erhöht, dass man sich ernsthaft fragen muss, warum das nicht bereits früher gemacht wurde.
Den Rest der Präsentation meistert God of War meisterhaft. Es ist eines der schönsten Spiele für die PS4, die FPS gehen nur manchmal wegen der riesigen Bildgewalt in die Knie. Die Musik wird passend eingesetzt und tritt oft in grossen Momenten in den Vordergrund und bereitet Gänsehaut mit seinen nordischen und klassisch- epischen Tönen, aber nimmt sich für kleinere Momente Zeit und wird gerne auch mal ruhiger. Das Artdesign ist hervorragend, die Animationen von Figuren und Elementen in der Spielwelt ebenfalls. Allein die sehr weit entfernten Hintergrundlandschaften scheinen ein wenig gar verschwommen. Das vermiest dem Spieler ein wenig den Blick und die Faszination von fernen Bergen, Wiesen und Flüssen in dieser Welt.