Mit Celeste präsentiert uns das Entwicklerduo Matt Thorson und Noel Berry eine Art Spiel, welches einem Prinzip folgt, das von Spielefans grösstenteils sehr schnell als «frustrierend» oder sogar absolut gesagt als «schlecht» bezeichnet wird: Celeste ist ein sogenannter Trial-and-Error Platformer. In dieser generell verpönten Subkategorie von Jump’n Runs werden meistens «Troll-Spiele» gesehen, die eigentlich nur in Youtube und Twitch funktionieren und grundsätzlich dazu gedacht sind, den Spieler so stark zur Frust zu bringen, dass für die Zuschauer lustige Momente entstehen. Celeste verfolgt dieses Ziel aber überhaupt nicht und möchte ein vollwertiges Spiel mit schönen und traurigen Momenten und spassigem Gameplay sein. Dabei ist Celeste sogar tatsächlich ein Lichtblick in diesem Subgenre und schafft den Spagat zwischen stark herausfordernder aber wunderschön fremder und stimmungsvoller Spielerfahrung vollkommen.
Aufstieg
Die Geschichte, die Celeste erzählt, ist überraschend schön und mysteriös. Dabei achten die Entwickler aber darauf, dass wirklich das Spiel selbst, mit seinen Mechaniken im Vordergrund steht und die Geschichte, Platforming-typisch, nur ein Aussengerüst darstellt, das alles narrativ zu verbinden versucht. Dennoch vermag sie eine solch fremde und geheimnisvolle Atmosphäre zu erzeugen, dass sie den Spieler dennoch sofort greift, Fragen bei ihm auslöst und in die Welt zieht.
Die Geschichte wird begleitet von einzigartig ulkigen oder sogar wirklich interessanten Charakteren mit gewisser Tiefe, die sogar teilweise einen Twist in ihren Charakterzügen besitzen und mit wunderbar unüblichen Konzepten ausgestattet sind. Zum Beispiel trifft man recht früh im Spiel einen Hotelpagen, der offensichtlich an Schizophrenie und Angstzuständen leidet, was ein Konzept einer Art ist, welches man einem Jump’n Run nicht zutrauen würde und in diesem Genre sehr selten zu finden ist.
Diese wundervoll seltsame und geheimnisvolle Stimmung entsteht nicht zuletzt durch die Dissonanz, die mit der inneren Ignoranz der Charaktere gegenüber diesen fragwürdigen Begebenheiten dargestellt wird. Sehr glückliche und positiv gestimmte Charaktere, wie beispielsweise die Protagonistin selbst, werden in Kontakt mit der dunklen und unheimlichen Welt von Celeste und beispielsweise schizophrenen Hotelpagen gebracht, aber sie sagen nichts dazu, ja scheinen die Unstimmigkeiten nicht einmal zu bemerken. Dieser tolle, besondere Umgang mit seinen Charakteren gibt Celeste eine einzigartige Stimmung und macht Bahn für eine schöne Geschichte.
Allein die Dialoge, die eigentlich sehr witzig und knackig geschrieben sind, dauern teils zu lange und vermögen gelegentlich den Spieler aus dem Spielfluss zu reissen. Es gibt bei den Gesprächsunterbrüchen immer einen Zeitpunkt, wann man denkt, dass die Konversation vorbei sein sollte, doch Celeste führt sie immer um ein paar Aussagen weiter, ohne wirklich etwas Relevantes beizutragen. Hier ist man über das Ziel hinausgeschossen.
«Erfolgsgefühl» als Grundbaustein
Celeste versucht sein ganzes Gameplay auf dem Subgenre, dass es verkörpert, nämlich Trial-and-Error Platforming, aufzubauen. Die grösseren Level sind zerlegt in viele kleine Räume, die es zu durchschreiten gilt. Jeder Raumanfang ist dabei ein Checkpoint, an dem man immer wieder respawnt, während man sich durch Ausprobieren und Scheitern langsam durch den Raum tastet. Die Level können dabei hohe Schwierigkeitsgrade erreichen, vor allem wenn man sich vornimmt auch die einsammelbaren Gegenstände mitzunehmen. Dabei erreicht der Frustgrad in Celeste aber niemals unerträgliche Höhen, da sich das Spiel in den meisten Fällen sehr präzise steuert und die Hitboxen sich fair anfühlen. Allein der Boost, der Teil des Bewegungssets ist, wurde nicht immer ganz korrekt umgesetzt, ist aber auch mit dem Controller-Stick ein wenig schwammig zu steuern. Die Tode, die man erleidet, weil Madeline nicht gerade nach oben springt, sondern schräg nach oben, fühlen sich doch manchmal nerviger an als es sein müsste.
Celeste füttert den Spieler durch seine tollen Level hindurch immer wieder mit kleinen Erfolgsgefühlen und erhält somit zu gewissen Teilen sogar süchtig-machende Seiten. Jeder Raum, den man zu durchqueren vermag, jede Erdbeere die eingesammelt wurde, fühlt sich wie eine Belohnung an, nicht zuletzt, weil die Bewegungen, die man dazu vollführen musste, sich hervorragend anfühlen und ansehen lassen.
Diese Erfolgsgefühle sind aber nur die knackigen Belohnungen, der ansonsten abwechslungsreich und kreativ gebauten Level. Celeste hat viele Ideen an Jump’n Run Mechaniken, die es sogar auf speziellere Arten benutzt, als man es ansonsten von legendären 2D Platformer-Reihen wie Super Mario Bros. gewohnt ist. Dort ist es nämlich meistens so, dass eine Mechanik (oder mehrere) am Anfang einer Welt präsentiert wird und diese dann im Verlauf seiner Level ausgebaut und auf andere Weisen eingesetzt wird, nur um dann in der nächsten Welt gar nicht mehr, oder nur vereinzelt vorzukommen. Celeste aber führt diese Mechaniken ein und denkt sie weiter als man es erwartet, setzt sie auf sehr kreative Weisen ein und kombiniert sie mit anderen Mechaniken in unerwarteten Formen. Es gibt keine Welt-exklusiven Mechaniken, sondern sie werden immer wieder verwendet und vermögen an vielen Stellen bei ihrem Vorkommen sogar zu überraschen. Dies macht Celestes Leveldesign als Ganzes sehr kompakt und die Welt umso verbundener und organischer.
Himmlische Präsentation
Pixel-Look ist gegenwärtig hoch im Trend und viele Spiele, wie beispielsweise Rain World oder Dead Cells, zeigen wie atemberaubend schön Pixel-Art heutzutage sein kann. Dabei geht natürlich jedes Spiel anders mit seinem Art-Style um. Celeste spielt hierbei nicht wirklich in den obersten Ligen der schönsten Pixel-Grafiken mit, präsentiert sein Spiel aber vor allem überraschenderweise mit environmental-storytelling sehr stimmig, was umso mehr zur Atmosphäre beiträgt. Mit «environmental-storytelling» sind kleinere Geschichten und Informationen zu Charakteren oder Orten gemeint, die aber nicht aktiv erzählt werden, sondern sich im Aussehen und Design der Welt verstecken. Dies ist vor allem für ein Spiel mit so stark aufgeteilten kleinen Räumen, die zudem für die Abwechslung und Freude im Gameplay höchst abstrakt aufgebaut sind, sehr lobenswert.
Die Musik kann dazu auch ähnlich bewertet werden. Sie ist schön und unterstützt die Stimmung vollkommen, vermag sich sogar in manchen Momenten in den Vordergrund zu drängen und einzigartig mysteriöse und gruselige Melodien zu spielen. Sie kann aber als Ganzes, ausser in wenigen vereinzelten Stücken, nicht mit Soundtracklegenden wie beispielsweise Undertale mithalten. Grafik und Musik funktionieren als Gesamtpaket in Kombination mit Geschichte und Spielmechaniken gut, verwelken alleine aber in Mittelmässigkeit.