Horrorspiele gehören zu den Spielen, die selten wirklich funktionieren. Zentral ist es, dass eine sehr dichte Atmosphäre über eine lange Zeit aufrechterhalten werden muss, denn sonst wird das Spielerlebnis zäh und langweilig. Teil dieser Atmosphäre sind die Geschichte, die fesselnd und mysteriös sein muss, das Sounddesign, das dunkel und finster das Visuelle untermalt, und das Leveldesign an sich, das gefüllt sein muss mit Elementen, welche in uns Spielern Angst auslösen. Es ist nicht schwer in einem Spiel den Sound herunterzudrehen und den Spieler durch dunkle Gänge laufen zu lassen, um ihm gelegentlich mit einem lauten Geräusch ein Monster ins Gesicht zu werfen. Das ist „Erschrecken“ und keine wirkliche Angst. Die Kunst des Horrorgenres liegt darin, denn Spieler durch Zusammenspiel von Bild und Ton ein Gefühl spüren zu lassen, dass er eigentlich nicht spüren wollen sollte. Angst, sei das Verfolgungsangst, Existenzangst, oder Platzangst, geht tiefer in unsere Empfindungen und ist viel komplexer aufgebaut als einfaches Erschrecken.
Horrorspiele sind selten wirklich gut, was vermutlich daran liegt, dass sie einen höheren künstlerischen Anspruch besitzen, als andere Spiele. Silent Hill, die früheren Resident Evil- Spiele sind die Klassiker die dem Genre immer noch voranstehen. Allein Titel der letzten Jahre wie Layers of Fear oder Hideo Kojimas P. T., haben wirklich versucht dem Spieler Angst empfinden zu lassen. Nun steht mit The Evil Within 2 ein neuer Horrortitel an. Schafft es The Evil Within 2 nur den Spieler ein paar Mal aufzucken zu lassen, oder löst er in ihm wahre Furcht aus?
Flotter Start, langsame Fahrt
Nach einem kurzen, aber grossartigen Intro wirft uns The Evil Within 2 sehr schnell in seine Geschichte. Dabei ist es nicht wirklich nötig den ersten Teil gespielt zu haben. Das Spiel macht nur manchmal Querverweise darauf, mehr aber nicht. Die anfangs relativ simple Geschichte entfaltet sich im Verlaufe des Spiels, zusammen mit seinen Ereignissen und Wendungen zu einer guten Mischung von Horrorklischee und neuen Elementen. Sie hebt sich nicht wirklich auf eine hochkomplexe Ebene, ist aber keinesfalls einfältig. Die Geschichte bietet eine klassische Drei-Akt Struktur auf, woran die Kino- Inspiration von The Evil Within 2 wieder sehr klar wird. Wie in Teil eins, versucht man einen interaktiven Kinofilm suggerieren zu wollen, nicht zuletzt, weil auch die optionalen Filmbalken wieder dabei sind. Dies funktioniert aber sehr gut, die Story ist faszinierend genug um den Spieler zu binden, auch wenn sie manchmal durch die offene Spielwelt und den gelegentlich vorkommenden, zu langen Levelpassagen, sehr am langsamen Erzählfluss leidet. Manche Spielabschnitte scheinen einfach irrelevant für die Geschichte und einfach deshalb im Spiel zu sein, um dem Spieler mehr „Spiel“ zu geben.
The Evil Within 2 schafft es ebenfalls, trotz seiner kurzen Spielzeit von ungefähr 16 Stunden, sympathische Charaktere aufzubauen, auch wenn sie zuweilen etwas flach scheinen. In der furchterregenden Spielwelt und Geschichte sind sie aber dennoch stets gern gesehene, warme Charaktere. Sie tragen zur Geschichte bei, haben eigene Hintergründe und Moralvorstellungen und entwickeln sich sogar im Verlauf der Geschichte ein wenig, was bei Horrorspielen nicht oft gesehen wird. Charaktere in diesem Genre werden meistens zum einfachen Werkzeug für den Spieler heruntergebrochen, womit er die vielen tollen Monster und Areale wahrnehmen kann. Das diese Figuren in The Evil Within 2 wirklich ein wenig Substanz haben, ist lobenswert.
Das Gameplay ist hier mit 3rd Person Laufen und Schiessen, sehr simpel gehalten und funktioniert meistens, reflektiert aber die Probleme des Erzählflusses. Die Laufgeschwindigkeit des Protagonisten wurde so sehr reduziert, dass sie doch eine Spur von Lächerlichkeit und später auch Frust besitzt. Die Kamera ist so krass schwammig zu steuern, dass gewisse Bosskämpfe, die einen Grad an Reflexen verlangen, nervig werden. Von diesen Elementen abgesehen, vermögen das Gameplay in den Gruselpassagen und die Quick-Time Events zu überzeugen. Sie sind nicht bahnbrechend innovativ, aber funktionieren.
Messerscharfe Atmosphäre
Bei der Gestaltung der Spielatmosphäre läuft das Spiel, vor allem in den geschlossenen Levels, sowohl von Haupt- als auch Nebenmissionen, zur Höchstform auf. Hier sind die ansonsten eher spärlichen Spuren von vorherigem Creative Director und nun Producer Shinjii Mikami (Resident Evil- Reihe) am ehesten zu spüren. Die Atmosphäre ist so dicht, dass selbst angstresistente Spielern gelegentlich eine Gänsehaut kriegen dürften. Das Spiel experimentiert auf tolle Weise mit Gegenständen, Orten und ihren Geräuschen, womit tolle Bilder im Kopf des Spielers erzeugt werden. Denn genau dort ist die Quelle der Angst eines Menschen. Nicht im Sehvermögen oder in den Ohren, sondern dort, wo das Gehirn Angstszenarien aus der Vermischung dieser zwei Sinne für sich selbst herbeifantasiert. Dementsprechend bewegt sich die Geschichte zu diesen Zeiten auch in sehr vage Zonen und unterstützt mit einer tollen Interpretationsfreiheit diese Angstvorstellungen des Spielers. Leider verliert das Spiel diese tolle Eigenschaft zum letzten Akt hin und fokussiert sich darauf die Geschichte zu einem vernünftigen Ende zu bringen. Das hat zufolge, dass man, typischerweise für Horrorspiele, mehr in Richtung Action tendiert als Horror. Daran leidet diese grandiose Atmosphäre sehr, auch wenn der Kompromiss verständlich ist.
Die beste Eigenschaft des Spiels ist aber noch nicht erwähnt worden: Es gibt sehr wenige Jumpscares! The Evil Within 2 verzichtet weitestgehend auf stille Passagen, in denen all paar Minuten ein lauter Knall ertönt und dem Spieler ein Zombie ins Gesicht fliegt, einfach um ihn zusammenschrecken zu lassen. Das Spiel versucht den Spieler eher durch vielseitige Horrorfantasien an sich zu binden, als ihn mit billigen Jumpscares wegzujagen.
Die offene Spielwelt tut der dichten Atmosphäre in den geschlossenen Levels ein wenig weh, funktioniert aber dennoch aufgrund der tollen Nebenquests wunderbar. Der Erkundungsfaktor ist ebenfalls da.
The Evil Within 2 vereint interessanterweise viele Elemente aus anderen Spielen. Silent Hill ist mit gewissen Themen und der Spielwelt vertreten, Resident Evil ebenfalls, ein Level wurde sogar haargenau aus Batman: Arkham Asylum inspiriert. Die wohl grösste Inspiration, vor allem zu Beginn des Spiels kommt aber wohl Kojimas P. T. zu.
Wenige Jumpscares dafür aufploppende Bäume
Der Bereich, in dem das Spiel überraschenderweise auch versagt, ist der technische. Zahlreiche Framerate-Einbrüche waren zu spüren, sei das in der offenen Welt selbst, oder in den geschlossenen Levels. Fehlerhafte Beleuchtungen, Glitches und viele erst auf sehr kurze Distanz ladende Elemente wie Bäume oder Blumen sind ebenfalls häufig anzutreffen. Das heisst nicht, dass The Evil Within 2 schlecht aussieht, man merkt dem Spiel schon an, dass es ein AAA- Titel ist. Aber bei einem Horrorspiel, was den Spieler so sehr in sich hineinsaugen muss, fallen diese vielen kleinen Unstimmigkeiten schnell auf.