Kunst. Einzigartig, bahnbrechend und ambitiös, prätentiös – das sollte Kunst im Idealfall sein. Jeder dritte meiner Artikel fängt mit einer Allegorie, oder Anekdote, zur Kunst an, doch im Falle von Elden Ring kann es sich die Einleitung nicht leisten weniger prätentiös, als jene meiner anderen Artikel zu sein. Vor vielen Jahren pflanzte From Software mit Hidetaka Miyazakis grünem Daumen eine Saat, die nahezu dreizehn Jahre später seine reifsten Früchte tragen würde. Von den ersten Schritten mit Demon’s Souls, dem ersten Triumph mit dem knallharten Dark Souls, den mutigen Schritten in ein neues Universum mit Sonys Bloodborne, bis hin zum Abenteuer im Fernen Osten mit Sekiro: Shadows Die Twice. All dies sind Werke, die den Titel Kunst unbestreitbar verdienen und sich im Laufe des letzten Jahrzehnts dafür an die Spitze der Industrie gebahnt haben. Miyazakis Vision und die harte Arbeit des Teams bei From Software formten eine Industrie, die ohnehin auf dem begrenzten Treibstoff der Innovation läuft. Nach From Softwares Versuchen sollten auch EA und Square Enix, zwei der größten Namen in der Industrie, mit jeweils Star Wars und Final Fantasy einen Abstecher ins eigentlich Casual unfreundliche Genre machen – dem von Fans benannten “Soulsborne” Genre. Wo andere aber einfach die nicht-so-geheime Formel From Softwares an sich reißen, so versucht das urbane japanische Studio doch weiterhin, ihrer Formel neue Würze zu verleihen. Sei es durch einen festen Hauptcharakter, mit einer eigenen Persönlichkeit als Premiere in From Softwares neu entdecktem Erfolg, oder einem aggressiveren Gameplay-System, das rohe, nackte Gewalt belohnt – From Software sitzt nicht gern auf dem aufgewärmten Stuhl. So und nicht anders ist es auch mit ihrer brandneuen, und wahrscheinlich auch ehrgeizigsten Partie, Elden Ring, der Fall. Das Grundgerüst ist stabiler denn je – ein breites Arsenal an Schlageisen, die euch vor den Gegnern und furchteinflößenden Bossen zu schützen versuchen. Ein Charakter, der wie Adonis, aber auch potthässlich, aussehen kann und eine Welt, die es zu retten gilt. Was aber diesmal den Twist darstellt, neben dem Einwirken vom Bestsellerautor George R. R. Martin, der das Universum in wahrscheinlich mehr als nur sieben Tagen schuf, ist die Welt selbst, die dem Spieler diesmal in ihrer ganzen Pracht zu Füßen liegt. From Softwares Welten überzeugten immer schon, egal ob Yharnam oder Lordran, also war es schon von Anfang an klar, dass es sich hier um eine einmalige Erfahrung handeln würde – nach dem Vorbild von Spielen wie The Legend of Zelda: Breath of the Wild, The Last of Us: Part II und, lustigerweise, dem originalen Dark Souls. Elden Ring ist From Softwares annähernd perfektes Abenteuer, ein hoffnungsgeladener Blick in ihre Zukunft und ein Meilenstein der Industrie, über den man auch in fünfzig Jahren noch reden wird, wenn der nächste Hidetaka Miyazaki sein Elden Ring herausbringt. Wie und was man im Zwischenland durchgemacht hat, wird bei jedem eine andere Geschichte sein. Unzählige Spieler, auch Journalisten, haben ihre Reise bereits niedergeschrieben. Diese hier ist meine.
Jene Reise fängt in den Geburtsstunden der, uns auch heute noch plagenden, Pandemie an, als man reichlich Zeit auf seinen Händen hatte, die es zu benutzen galt. Elden Ring pflückte bereits in den Jahren zuvor, angefangen mit seiner Enthüllung auf der E3 2019, seine Hype-Lorbeeren. Unter der Leitung von Hidetaka Miyazaki, zusammen mit George R. R. Martins ominöser Unterstützung, der im selben Jahrzehnt mit der Verfilmung seiner langjährigen Romanreihe “Game of Thrones” in aller Munde war, wurden ihre Namen von den schlagfertigen, kitschigen Trailertönen untermalt, die heutzutage zu jedem Werbevideo dazugehören. Gerüchte, die dann behaupteten, Elden Ring, damals noch bekannt als “Great Rune”, sei ein riesiges Open World Abenteuer, katapultierten den Hype in unerreichte Höhen. Zugegebenermaßen: im vergangenen Jahrzehnt interessierte mich Elden Ring, gar jegliches Spiel, das im Hause From Software entstand, nicht ein bisschen. Der Hype war unverständlich, allerdings war es eindeutig, dass From Software mit jeder neuen Veröffentlichung und Ankündigung einen Schritt weiter auf die Spitze hinzunahm. Von der durchgefallenen Sony-Partnerschaft, zu Bandai Namcos Unterstützung, bis hin zu Sonys wiedergewonnenem Vertrauen: sie konnten jeden erdenklichen Hügel erklimmen. Miyazaki ließ seinen Beruf als Kundenbetreuer hinter sich, trat der Gaming-Industrie als Game Designer ohne wirkliche Berufserfahrung in seinen späten Zwanzigern bei, und wurde in kurzen elf Jahren zum Präsident der selbigen Firma, die heute wohl für seine Werke am besten bekannt ist.
Geschichten jenseits des Nebels
Die Uhr, oder eher gesagt der Kalender, schlägt das Jahr 2020, den dritten Monat, die letzten Wochen. Nach meiner ersten Reise durch das Königreich von Boletaria, mit Blue Points grandiosem, und längst überfälligem, Remake von Demon’s Souls, das die neue Generation aalglatt einleitete, richtete ich meinen Blick auf die anderen Werke From Softwares, die seit vielen Jahren schon im Regal stehen, und wohl so viel Staub sammelten, wie sie unter anderen Spielern Lob genossen. Boletaria – die Herberge vieler Kreaturen, die auf die Seelen des Protagonisten aus sind. From Softwares erster Abstecher ins eigene Souls-Genre baut eben diese Formel auf, und liefert ein Abenteuer ab, dass für viele in der Souls-Reihe eines der Schwächsten, aber im Gesamtbild der Gaming-Industrie wohl ein Top-Titel ist. Zusammen mit Bandai Namco gründete Miyazaki die Welt von Lordran, Zuhause der besseren Einträge der Dark Souls-Reihe. Die Formel ist erneut vorhanden und verbessert. Wo Demon’s Souls mit seinen Bossen wohl einen eher wackeligen Aspekt hatte, verbessert die neue IP die Boss-Begegnungen auf unvorstellbare Weise. Gwyn, Artorias, Ornstein und Smough und Manus sind nur eine Handvoll der ikonischen Bosse, die viele weitere inspirierten – ob Dark Souls, oder nun ein völlig anderes, fiktives Universum. Das neugierige Erkunden einer Welt, die zu einem solchen Grad verbunden ist, dass man wirklich vergisst, dass man eine digitale Welt erkundet, war zu seiner Zeit, in einem solchen Maße, bahnbrechend. Den ersten Fuß ins güldene Anor Londo zu setzen wird immer einer der eindrucksvollsten Momente sein, der jemals aus der technischen Kunst entspringen wird. Während Miyazaki, Hand in Hand mit Japan Studios’ Masaaki Yamagiwa, Yharnam konzipiert, fordert Bandai Namco, auch heute noch Partner von From Software, ein brandneues Abenteuer in der Dark Souls-Reihe, die in den Jahren nach der Veröffentlichung von Dark Souls an Ruhm dazuverdiente. Dark Souls 2 und Bloodborne funktionieren in einem nahtlosen Zusammenspiel – in einer Dichotomie. Wo Bloodborne mit seinen neuen Features, dem aggressiveren Gameplay, das das taktische Knüppeln belohnt und die Kämpfe somit nicht nur intensiver, spannender und nervenaufreibender macht, sondern diese auch vom klassischen Dark Souls-Gameplay abhebt, und dem gotischen Spiel seine eigene Identität verleiht, geht der Nachfolger von Dark Souls wohl gegen die Design-Konventionen, die dem Original seinen legendären Status verleiht haben. Was Bloodborne aber wirklich erst zu Bloodborne macht, ist die groteske Darstellung seiner Kreaturen, der Welt und dessen Werdegang, die der Liebesapfel des Lovecraftischen Horrors sind. Nicht ohne Grund gehört Bloodborne für die Mehrheit der PlayStation 4-Besitzer zu den grundlegendsten und renommiertesten Titeln der gesamten Konsolenbibliothek. Hingegen ist Dark Souls 2 euphemistisch ausgedrückt wohl das schwarze Schaf in der codierten From Soft-Karriere. Neben der Gestaltung aller Gebiete, die völlig leblos, unecht und leer aussehen, bis hin zu dem Missverständnis der Schwierigkeit, die die Serie ausmachen, ist das Spiel nur im Namen selbst “Dark Souls”. Wo From Softwares Schwierigkeit immer aus “Schwer, aber fair” besteht, wirft Dark Souls 2, auch in seiner ausgeputzten “Scholar of the First Sin” Edition, Unmengen an Gegnern an den Kopf des Protagonisten, mit denen man irgendwie auskommen muss. Oder es läuft schlicht darauf hinaus, dass man so lange die Flucht ergreift, bis man auf einen Boss trifft, der die Gegner vor die wortwörtliche Tür zwingt. Ob der Titel wegen des mangelnden Einwirkens Miyazakis so endete, der mit Bloodborne alle Hände voll zu tun hatte, oder ob es an der ohnehin problematischen Entwicklung der Fortsetzung lag, ist unklar. Natürlich kann es aber auch sein, dass Letzteres so wegen Ersterem passierte – wer weiß. Letztendlich erinnert Dark Souls 2 daran, wie schwer es eigentlich ist, ein wirklich gutes Spiel im “Soulsborne”-Genre zu kreieren.
Zurück zur Gegenwart: Es ist 2022, und Elden Ring ist bereits seit einem, nun sogar schon fast zwei, Monaten auf allen Konsolen und PCs, solange man die Systemanforderungen erfüllt, verfügbar. Diese Review, wenn man den Artikel so nennen kann, wird Spoiler zu jeder kleinsten Ecke in den Zwischenlanden enthalten. Elden Ring ist das Produkt dessen, was From Software die letzten dreizehn Jahren erschaffen hat, und wirft, in altbekannter From Software-Manier, eigene Zutaten in den Topf, die die Zwischenlande zu mehr als nur einem Zwischenraum der Identitäten machen.
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Gefährlichste im ganzen Land?
Wie man es von dem Kraftpaket, das das From Softwares Entwicklerteam ist, nicht anders kennt, ist auch diesmal ein kryptischer Schleier um die Geschichte Elden Rings gespannt. Zwischen Dialogen mit NPCs, die man an den diskretesten Orten in der Gesamtheit der Zwischenlande findet, vagen Beschreibungen eines jeden Items – ob Armschoner, Aschen oder Seife – überall verstecken sich klimperkleine Bruchteile eines Großen Ganzen, was aber an sich nahtlos in die Eröffnung der Odyssee einfließt. Die Welt der Zwischenlande wird vom Höheren Willen und dessen Manifestation, des Elden Rings, zusammengehalten. Es schenkt der Welt, seinen Bewohnern, und dessen Alltag Ordnung und Frieden. Nach der Nacht der Schwarzen Klinge, die den Tod einiger Halbgötter durch die Hand der Gilde der Assassinen der Schwarzen Klinge forderte, wird nicht nur die metaphorische Ordnung gebrochen, auch die physische, in Form des Elden Rings, zerspringt. Im Laufe des Spiels stellt sich heraus, wer das Attentat in Auftrag gab, was letztendlich unentbehrlich für die Bedeutung des wahren Endes wird. Diese Abtrünnigkeit führte dazu, dass Königin Marika, “die Ewige”, die übergreifende Ordnung zertrümmerte, und den Elden Ring in viele, verschiedene Stücke zerstreute, die sich die Kinder Marikas ohne zu zögern, nach einem bitteren Krieg, unter den Nagel rissen. Wie in jedem From Software Spiel, in dem das Set-Up einer zerstörten Ordnung benutzt wird, fällt eine unaufhaltbare Verderbnis über jedes atmende Wesen, das die Zwischenlande bereist. Jede einzelne From Software-Eskapade fängt mit einer triumphalen und gleichermaßen epischen Zwischensequenz an, die die nennenswertesten Bosse zeigt, die einem im Laufe der Reise im Wege stehen werden. In Dark Souls lernt man die fünf Fürsten kennen, die bereits mehr als kolossal und mächtig dargestellt werden. Im Finale der Trilogie, Dark Souls 3 herrscht wieder das gleiche Spiel, wieder Fürsten, und wieder sehen sie furchteinflößend stark aus. Das gleiche Maß an Grandiosität wird hier auch behalten, besonders mit der Musik, die den Titelbildschirm schon so majestätisch und triumphal ausgemalt haben. Die Eröffnungssequenz besteht allerdings aus einem Erzähler, der seinen Teil zwar einwandfrei spielt, leider aber nur über Illustrationen hinweg erzählt. Die Illustrationen setzen die Geschichte und den Ton in Szene und erreichen dies nahezu perfekt, dennoch fehlt es dem ganzen an Wucht und fühlt sich stellenweise ein wenig unbeholfen an, wenn der Sprecher sein Bestes gibt, im Hintergrund aber nur starre Illustrationen langsam von rechts nach links bewegt werden. Das Intro erfüllt gewissermaßen seinen Zweck, erreicht sein gesamtes Potenzial dennoch aber nicht.
Als sogenannter Befleckter, der von der Gnade, nun ja, Gnade erfährt, wird uns die Bürde der Rettung der Zwischenlande auferlegt. Befleckte sind jene, die vom Höheren Willen einst verbannt wurden, doch nach dem Krieg der Splitterträger, der sich jahrzehntelang in einer Sackgasse befindet und den Einfluss des Höheren Willens immer mehr in den Hintergrund rücken lässt, zurückgerufen werden, damit der Auserwählte den sich kontinuierlich wiederholenden Kreislauf durchbricht, und neuer Elden Fürst wird, der die Ordnung wiederherstellt und wahrt. Ziemlich viel, was einem dort anfangs auferlegt wird, doch einige Gestalten, die eure Reise bereichern, oder aber verschlechtern werden, werden ein ganz neues Licht auf diese Aufgabe rücken und euch vielleicht sogar in eine ganz andere Richtung blicken lassen. Die Zwischenlande sind voller Optionen, die jede Reise zu einer individuellen machen, so wie es niemals eine zweite sein würde. Nichts ist prädeterminiert und das wird spätestens dann klar, wenn man die ersten Schritte aus der klaustrophobischen Kathedrale nimmt, in der man die Gnade Marikas zum allerersten Mal zu spüren bekommt, und sich die gesamte Welt, die sich gerade so offenbart hat, erstmal auf sich wirken lassen muss. In der Ferne eine brüchige Brücke, die ein ebenso kaputtes Schloss mit einem imposanten Turm zu verbinden scheint, der aber von dem majestätisch goldenen Baum nebenan vollumfänglich übertrumpft wird – dem Eldenbaum. Bereits in den jüngsten Minuten der nahezu unendlichen Geschichte steht ihr eurem Bestimmungsort entgegen, doch so nahe wie er zu sein scheint, desto weiter rückt er in die Zukunft, und die Ferne.
Die Welt der Zwischenlande ist eine zersplitterte, von Zwietracht und undenkbarer Vehemenz verschlungene Welt, die euch aber keineswegs in Einsamkeit durch die felsigen Ebenen streifen lässt. Überspitzt dramatisch, sonderlich und kryptisch, manchmal sogar unaufgefordert herablassend – passende Adjektive, die so ziemlich einen jeden nicht-spielbaren Charakter in den Zwischenlanden beschreiben. Dabei ist der maskierte Sektenanhänger Varré, der den Befleckten mit seiner schrillen Art geradezu empfängt. Varré ist und klingt hochmütig, behandelt den Befleckten wie ein Kind, welches gerade seine ersten Schritte nimmt, und mit naivem Tunnelblick auf die Welt, die vor ihm liegt, draufschaut. Damit hätte er aber nicht unrecht – als Befleckter haben wir keinen blassen Schimmer, was wir tun sollen und was uns erwartet – außer natürlich man hat sich von der Erkenntnis einer höheren Instanz, die jedem Elden Ring-Träger trotzen kann – YouTube – Gebrauch gemacht. Nach einer ziemlich einseitigen Konversation stellen wir fest, dass man als Befleckter ohne Fingerjungfer quasi nutzlos ist. Auf dem Weg zum Elden Fürsten sind die Fingerjungfern essenziell, da nur sie den Geist stärken können, und auch nur sie Zugang zur Tafelrundfeste gewähren können, wo euch die wegweisenden Finger Rat schenken können. Der Weißmaskierte spricht aber auch vom nächsten Splitterträger, Godrick dem Verpflanzten, der im Schloss residiert, welches uns auf der Erhebung im Horizont förmlich ins Gesicht lacht. Alles das findet man aber nur heraus, wenn man Varré nicht einen Kopf kürzer machen will.
Keine Hand zum Festhalten
Es ist wahr, dass Elden Ring Tutorialfenster hat, die hier und da, auch noch viele Stunden nach dem Beginn des Abenteuers selbst, auftauchen, um euch ein neues System zu erklären, das die Optionen meist aufbricht, doch verglichen mit den typischen Blockbuster-Titeln der neuen Generation, lässt der Titel den Spieler selbst erkunden und herausfinden, was funktioniert, und was eben nicht. Handhaltung war in From Software-Einträgen immer schon ein Fremdwort. Mit einer so expansiven Open World, wie sie Elden Ring hat, bildet diese nüchterne Tatsache eine Einsicht in eine kreative Entscheidung, die sich nur wenige Werke der gleichen Industrie überhaupt erst trauen. Es wird immer Spieler geben, die dem Abenteuer den Rücken zugewandt haben, weil sie die falsche Klasse nahmen, oder Varré ihnen mit seinem Blutzauber bereits nach nur zehn Minuten das Leben zur Hölle macht. Auch das Tutorial, welches man nur durch das Auskundschaften des feuchten Startbereichs findet, kann mühelos übersehen werden. Das Tutorial war in meinem Abenteuer eine Registratur, die irgendwo in der Mitte, nach knapp sechzig Stunden, vorgenommen wurde. Elden Rings Welt ist eine künstliche Spielwelt, doch genau das ist sie eben nicht, versucht es nicht zu sein, ganz im Gegenteil: der organische und graduelle Erkundungsgrad macht die Open World in Elden Ring zu einer wahren Erfahrung, die Nintendos modernem Klassiker “The Legends of Zelda: Breath of the Wild” die ausgenommen stärkste Stirn bieten kann.
Die Zwischenlande sind sorgfältig kreiert, dessen einzelne Areale nahtlos ineinander überfließen. Limgrave ist mit Abstand eine der ausgiebigsten und einprägsamsten Gebiete der lebenden Welt in Elden Ring, abgesehen von der schieren Menge an Inhalten, die die Entwickler in dieses eine Gebiet packten, werden auch hier die mitsamt prägnantesten Erinnerungen der ganzen Reise gemacht, mit Ausnahme der großartigen Bosse, die einem, oder denen man, so ziemlich überall auflauert. Direkt vor der ersten Kapelle, nur wenige Schritte von Varré entfernt wartet der erste Boss auf der Oberwelt, der für wahrscheinlich viele Tode, Wutausbrüche und für verwundete Tische gesorgt hat. Der Baumwächter gehört keineswegs zu den schwereren Kämpfen der Reise. Als ein Kampf in den frühesten Momenten des Spiel ist er jedoch unerbittlich. Eine noch heranwachsende Lebensleiste, Ausrüstung, die nur von der Klasse bestimmt wird, für die man sich gerade eben noch entschieden hat und Fähigkeiten, die nicht einmal in ihrer Adoleszenz sind. Auch hier wieder: der Baumwächter ist komplett optional, ein Kampf, der nicht ausgetragen werden muss. Allerdings bereitet er den Befleckten genau auf das vor, was er auch noch sage und schreibe hunderte von Male erleben wird. Ein unbeschreiblich epischer Kampf, von noch zurückhaltendem Ausmaße, großflächige Hiebe, die euch die Füße vom Boden wegziehen und eine Anhäufung an brandneuen Angriffen, die sich erst nach der Hälfte des Kampfes offenbaren und am wichtigsten: eine ungesunde Menge an Durchhaltevermögen. Wo der Baumwächter keine obligatorische zweite Phase oder eine Attacke hat, die mal eben die ganze Fläche abdeckt, so haben die Bosse, die genau das haben, meistens auch einen Splitter des Elden Rings. Veteranen des Souls-Genres fallen hier ebenfalls auf, wie sehr die Interaktivität im Bezug der Umgebung innerhalb der bereits imposanten Bosskämpfe hochgeschraubt wurde. Der Baumwächter zersägt mit seinem riesigen Speer aus Gold Grashalme, Büsche, ganze Bäume und selbst teile der angrenzenden Kathedrale. Am Gameplay ändert dies offensichtlich nichts, doch die Immersion wird gesättigt. Den Bossen wird endlich die physische Macht gegeben, die sie äußerlich bereits mehr als deutlich gemacht haben, schon seit dem allerersten Auftreffen mit dem Vorhutdämon in Demon’s Souls. Der Baumwächter macht damit nur den Anfang, und ist damit einer von ungefähr 23 Bossen, die sich in Limgrave verstecken.
Freund oder Feind… oder gleich beides?
Limgrave ist aber mehr als nur ein Zuhause für Bosse. Neben Ruinen der Kirchen, die eindeutig noch Überbleibsel des Glaubens an Marika enthalten und eure Flasche mit Purpurtränen, die für Heilung sorgt, mithilfe der Heiligen Tränen verstärkt. Nebenher trifft man auf viele merkwürdige, aber auch gleichermaßen schrullige Figuren. Da wäre einmal die lebende Riesenvase, Alexander, der sich in Limgrave beim ersten Treffen in einer Einkerbung der Landschaft nach eurer Hilfe sehnt. Setzt man hier mit einem kräftigen Schlag an, so katapultiert ihr den tapferen Krieger nach vorne, wo er euch seinen herzlichsten Dank ausdrückt. Alexander wird man im Spiel noch öfter antreffen, und er wird zu einem der wichtigeren Nebenfiguren in den Zwischenlanden werden. Mit Varré hatte man eine Seite des Spektrums abgedeckt. Eine so verzerrte Welt wird auch gleichermaßen verzerrte Gestalten hervorbringen. Allerdings beherbergt diese weite Idylle auch Persönlichkeiten wie Alexander, der, trotz wirklich fehlender Tüchtigkeit, an seinem kriegerischen Traum festhält. Man trifft im Wald aber auch auf einen der wohl besten Charaktere im Spiel, der ganz klar an einen der ikonischsten, und angemerkt besten, Protagonisten der Manga-Industrie angelehnt ist. Die Rede ist von niemand anderem als Guts aus Berserk, welches ohnehin auf Miyazakis Werke einen deutlich ausgeprägten Abdruck hinterlassen hat. Egal ob in der Gestaltung der Welt, der Gegner, oder die grundlegende Ikonographie der Universen. Blaidd ist der Schatten, in Worten, die auch wir verstehen: Wächter, der Hexe Ranni, die eine der Hauptakteurinnen in der Nacht der schwarzen Klinge war, und ist außerdem halb Mensch, halb Wolf. Um ihn überhaupt erst auftreffen zu können, müsst ihr einen winterlich gekleideten Verkäufer nach seinem Rat fragen. Dieser Verkäufer, Kalé, gehört einer im Exil lebenden Rasse an, die, wie die Befleckten selbst, nicht in die Zwischenlande gehören. Diese erfahren in den Zwischenlanden ungeheuer viel Diskrimination, was sich auch in Kalés Verhalten selbst widerspiegelt. Er ist zurückhaltend, reserviert, muss aber dennoch an sein Geschäft denken. Sollte man ihn angreifen, so mahnt Kalé den Befleckten mehrere Male ab, bevor er selbst zur Klinge greift und aktiv wird. Nuancierte Details wie diese, sei es in Sachen Worldbuilding, oder winzige Hinweise, die eine Figur inmitten einer langen Konversation dazu streut, was wiederum eine ganz neue Angelegenheit mit anderen Figuren eröffnet, beweist unbestreitbar, wie viel Detail und Liebe in diese Welt eingeflossen ist. Anders als in der genretypischen Open World-Wanderung, die sich durch die Aufgabenmarkierungen, meistens oben links, oder wenn man es mal riskanter zugehen lassen will, oben rechts, wie eine geplante Rundführung durch ein Touristengebiet anfühlt, von dem man kein Teil zu sein scheint, schafft es Elden Ring ohne jegliche Markierungen, unnötig unrealistische Monolog-Hinweise oder leuchtende Pfeile eine Narrative und Reise zu errichten, die sich in nahezu jedem einzelnen, mikroskopischem Aspekt und Akzent organisch anfühlt – als wäre man nur einer von vielen, der in den Zwischenlanden kläglich versucht zu überleben.
Ein weiterer NPC, dessen Stimme einem wahrscheinlich beim Vorbeireiten eines nicht nennenswerten Waldes begegnet, ist die von Boc, dem Schneider. Ein Halbmensch, der aufgrund seines Äußerlichen schon immer im Schatten lebt, und sich für sein Aussehen schämt. Im Gespräch mit ihm erfahrt ihr von einer Höhle an der Küste, in der sich weitere Halbmenschen verstecken, die Boc aus seinem eigenen Heim verbannt hatten. Bocs Aufgabenlinie endet damit, dass er dem Befleckten als Schneider zur Seite steht, und in seiner Aufgabe seinen wahren Sinn findet. Mit einem bestimmten Item, das sonst eigentlich keinen Nutzen hat, könnt ihr ihm wortwörtlich sagen, dass er schön ist. Im Spiel selbst gibt es keine Hinweise dazu, dass die Aufgabenreihe so fortgesetzt werden kann, lediglich durch logisches Verbinden und Herumexperimentieren wird man belohnt. Man findet heraus, dass die Stimme des Gegenstandes der seiner Mutter gleicht, was ihn zutiefst berührt.
Die wohl wichtigste Figur in Elden Ring, die euch ihre helfende Hand reicht, ist aber Melina, eure treue Fingerjungfer, ohne die diese gigantische Aufgabe nicht einmal in greifbare Nähe kommen würde. Melina verfolgt ihr privates Ziel: im Gegenzug dafür, dass sie uns als Fingerjungfer zur Seite steht und uns zu einem waschechten Befleckten macht, sollen wir ihre Eskorte zum sagenumwobenen Eldenbaum sein, der uns die allseitige Reise lang von der Mitte der Zwischenlande aus beobachtet. Melina eröffnet uns einzigartige Möglichkeiten, wie das Nutzen der eingesammelten Runen, die Äquivalente der Seelen aus Dark Souls in Elden Ring, die wir in unterschiedliche Werte wie Stärke, Vitalität und Ausdauer hineinpumpen dürfen. Viel wichtiger noch ist sie aber der Schlüssel zur Tafelrunde und unser allererster Partner, ohne den es langweilig werden würde. Trotz ihrer zierlichen Gestalt ist Melina nicht ohne. Sie leitet den Befleckten nicht nur durch die gefährlichen Plateaus und schenkt immer einen helfenden Rat, wenn man nicht mehr weiter weiß, viel mehr ist sie es, die das Ende des Spiels einläutet, und den güldenen Baum in kohlende Flammen setzt. Der intimste Moment in Elden Ring zeichnet sich, ironischerweise, ineiner rigorosen Routine ab, die uns beim Ausgeben der Runen begegnet. Darin greift Melina zärtlich nach der abgenutzten Hand des Befleckten, um eine Verbindung zwischen den beiden herzustellen. Sie bittet ihn seine Ambitionen, Träume und Ansichten mit ihr zu teilen. Ein komprimierter Moment in einer ellenlangen Epik, welcher aber Bände über die Welt, dessen Atmosphäre und seiner unausweichlichen Zukunft spricht. Elden Ring bietet viele solcher intimen, und recht interessanten Interaktionen, die organische Konversationen erschaffen, Auskunft über die vergangenen Zeiten geben und jeden NPC prägnant machen. Auch hier, verglichen mit den zeitgenössischen Namen in der Industrie, schafft es Elden Ring NPCs zu kreieren, die eine eigene Persönlichkeit, Motivationen, und Bestimmungen haben, die unabhängig des Protagonisten und eines statischen Aufgabensystems existieren.
Formelhaft, farblos, fade – das „Ubisoft“-Problem
Viele der Bosse in Limgrave verstecken sich in der kalten Sicherheit der Schatten, in Katakomben, Verliesen und Höhlen. Diese finden sich nicht nur in Limgrave, sondern auch in den anderen übergreifenden Arealen. Nahezu jedes Verlies begrüßt euch mit einem Aufzug, der euch in die brutalen Tiefen nimmt. Hier trefft ihr auf Fallen verschiedener Art, ob Überfälle von nervtötend zappeligen Gegnern, überraschende Pfeilsalven oder gar exklusive Rätsel, die man in spezifischen Dungeons findet. Sie fühlen sich wie eine dreidimensionale Darstellung alter Zelda-Dungeons an, im grotesken Stil des From Software Teams. Die Räume der Verliese sind meist relativ ähnlich gestaltet: finstere, mit Steinziegeln errichtete Räume, mit dem ein oder anderen Kerzenständer, der für die nötige Atmosphäre sorgt. Das absolute Highlight sind aber ohne jeglichen Zweifel die Bosse der unterirdischen Eskapaden, die immer am Ende des jeweiligen Verlieses warten. Wo sie sich auch wieder gleichen, ist in der Tatsache, dass man immer ein “Rätsel”, angemerkt: in Anführungszeichen, meistern muss, um die Tür zum herrschenden Gegner aufzubekommen. Meist besteht die Herausforderung darin, die jeweiligen Höhlen zu durchqueren, und ganz am Ende den Hebel umzulegen. Ob Hauptmänner einer Halbmenschen Bande, verrückte Kürbisköpfe oder der loyale Freund Patches, der nach seiner Absenz in Sekiro endlich wieder zurück ist, ist man in den letzten Hallen der Verliese den verschiedensten, teils grausigen Kreaturen gegenübergestellt, die aber nicht einmal eine annähernd so große Herausforderung darstellen, wie es die Bosse auf der Oberwelt selbst tun.
Wenn die Sonne untergeht, kommen bekanntlich schreckliche Kreaturen heraus. In Elden Ring sind dies jedoch die Ritter der schwarzen Nacht, die man anfangs in Limgrave trifft, und denen man in den anderen Gebieten wieder begegnet. Die ersten Male sind die Bosse wirklich überraschend, spaßig und stellen, besonders am Anfang, wenn man seine ersten Schritte in den Zwischenlanden setzt, eine nette Herausforderung dar, werden aber viel zu repetitiv, wenn man sie auch noch nach achtzig weiteren Stunden wieder bekämpft, mit dem gleichen Moveset, aber lediglich anderen Attributspunkten. Die deutlich spannenderen Kämpfe finden sich in den Siegelgefängnissen, welche vergangene Helden, und Schurken, der Zwischenlande beherbergen. Vor dem verzweigten Schloss Sturmschleier fordert man den Schmelztiegelritter heraus, der mit seinem aggressiven Kampfstil einer der schwersten Kämpfe in den frühen Stunden Elden Rings ist. From Softwares Expertise in der Gestaltung der Bosse kommt besonders bei einem wie diesem zum Vorschein. Ein eingangs gewöhnlicher Ritter, möge man meinen, der ohnehin schon den Befleckten wie ein T-800 niederjagt, spreizt er in der zweiten Phase glorreich seine flammenden Flügel mitsamt einem Schweif, der diesmal aber wirklich die ganze Fläche der Arena deckt. Die ersten Sekunden nach dem Beitritt in eines der Siegelgefängnisse ist in Neugier und Schrecken gehüllt. Völlige Stille füllt den abgeschlossenen Raum, während man sich kribbelig auf den Boss vorbereitet, der in den Schatten lauert, und sich noch offenbaren muss. Manche Kreaturen, die sich als Bosskämpfe entpuppen, verdienen diese Einstellung und regelrechte Furcht, da sie überragend, überraschend und meist überaus gefährlich sind.
Hier treffen wir aber auf ein grundlegendes Problem des Spiels, das im Großen und Ganzen nicht wirklich ein “Problem” der klassischen Art ist, jedoch im Anbetracht des unglaublich hohen Qualitätsstandards von Elden Ring zu einem wird. Open World-Spiele müssen Inhalte in die Welt hineinpacken, um diese notgedrungen auszufüllen. Denn was wäre eine Welt, ohne Orte und Persönlichkeiten, die man dort erkunden oder kennenlernen kann? In der Industrie gehen viele Serien, Entwickler und Titel damit auf unterschiedliche Weise um. Grand Theft Auto zum Beispiel ist ein verrückter Sandkasten: ein gewaltiges Waffenarsenal, das für wortwörtliche Gewalt sorgt. Explosionen! Schusswechsel mit der Polizei! Unglaubliche Geschwindigkeiten auf den engsten Straßen der Stadt! Mittlerweile hat Grand Theft Auto, wie zum Beispiel in GTA IV oder GTA V auch Nebenaktivitäten: darunter Tennis, Dates, Abstecher ins nächste Fast-Food Restaurant und mehr. Der Sandbox-Ansatz hat sich für Rockstar bewährt, und andere in der Industrie, wie auch Saints Row, angeeignet. Mit Breath of the Wild hat Nintendo eine Welt geschaffen, die ähnlich wie die Zwischenlande in Elden Ring einen organischen, und glaubhaften Hauch eingeflößt bekommen hat. Eine Welt, die eine Verheerung überlebt hat, und sich nun aus den Tiefen zieht. Farbige, diverse Gebiete, mit Figuren, Ereignissen und einer Natur, die sich seine Welt zurückgeholt hat. Neben all den unglaublich schönen, von der Physik des Spiels, getriebenen Landschaften, mit denen man auf unterschiedlichste Weise interagieren kann. Es ist ein Testament zur Großartigkeit dieses Titels, wenn Speedrunner auch heutzutage neue Wege finden, wie man mit der Welt die unvorstellbarsten Dinge anstellen kann. Viel wichtiger aber noch sind wahrscheinlich die Schreine, die auf der ganzen Welt verteilt sind. Ähnlich wie in Elden Ring unterscheiden sie sich im inneren Design nicht sehr voneinander, jedoch sind die Rätsel in Breath of the Wild, aufgrund der wohl teureren und expansiven Physik-Engine des Spiels, deutlich interessanter, und bieten oftmals viel mehr Überraschung, als es die Dungeons in Elden Ring tun. Auf der anderen Seite gibt es aber noch die Fast Food-Äquivalente, die man in Titeln wie Assassin’s Creed, Far Cry und Watch Dogs wiederfindet – die sogenannte, altbekannte Ubisoft-Formel. Begonnen hat all dies mit Ubisofts Far Cry 3, ihrem wohl am höchsten gefeierten und von der Kritik am ruhmvollsten gelobter Titel der letzten Dekade. Genannte Formel führt eine Mischung beider voriger Modelle – eine halbherzige Mischung. Man denke an die reißerischen Sandkästen der Grand Theft Autos, mit einer herzhaft überschätzten Prise der Stützpunkte, die man in Spielen wie Elden Ring, aber auch Breath of the Wild wiederfindet, die die Ubisoft-Formel übrigens aufgegriffen, und ihr Kohärenz – eine strukturierte Form gaben, die ihr eine Daseinsberechtigung einheimste. Wo es in Far Cry 3 noch eine Neuerung war, und mit Offenheit und Experimentierfreudigkeit aufgenommen wurde, so wurde der Geschmack der Gerichte dieser Formel überaus fade. In jedem neuen Far Cry, dessen aufdringlich ausgefallenem Spin-Off, jedem Assassin‘s Creed und auch Watch Dogs zu einem der Grundpfeiler, der die Spielzeit künstlich in die Länge zog, und zu einem seelenlosen, aufgeblähtem Produkt von einem Titel wurde. Ja, für die 60€ bekommt man zwar seine zweihundert Stunden Spiel, aber ob der Spaß noch nach dreißig Stunden da ist, ist fraglich. Wie und wo der künstlerische Wert dabei davonkommt, ist auch eine offensichtliche Angelegenheit. Die Ubisoft-Formel implementiert im wahrsten Sinne des Wortes Inhalte, um Inhalte zu habe. Um eben damit auf der Rückseite der Plastikbox prahlen zu können.
Elden Rings „Inhalt“ kommt hier ins Spiel. Elden Rings Verliese sind anfangs spannend, lassen euch mit neuen Waffen, Zaubersprüchen oder Strategien tüfteln, sind aber nach schon der zehnten Mission schon eine Sache der Routine. An den fieberhaft hektischen Gargoyles vorbeilaufen, oder diese in Einzelteile zertrümmern, bevor man aus Versehen in ein Loch fällt, welches praktischerweise den Weg zum Schalter bildet, den es umzulegen gilt. Das Tor öffnet sich und wartet geduldig darauf, vom Schwert, Speer oder Spruch des Befleckten in die Knie gezwungen zu werden. Natürlich gibt es Ausnahmen. So zum Beispiel entdeckt man neben der Höhle, in der man ursprünglich das Licht der Gnade erblickt, den sogenannten „Friedhof der Gestrandeten“. Ein nicht so klassisches Verließ, das sich immer mehr in den Untergrund streckt, und nur so von Schienen gepflastert ist. Ein metallisches Rattern erklingt, bevor man einen rostigen Pferdestreitwagen erblickt, der beiden Seiten, die ihn umgeben, mit eckspitzen Stacheln abblockiert. In klaustrophobischen Furchen sucht man nach Schutz vor den furiosen, zielsuchenden Augen des Wagens. An der Seite einer solchen Schienenstrecke muss man sich in die dunkle Weite stürzen, um Fortschritt machen zu können. Gepaart mit dem lauten Rumpeln der Kutsche, das stetig lauter wird, wird dieser Dungeon zu einem, den man nicht so schnell vergisst, der aber auch gleichzeitig die Schwäche des Konzepts hervorbringt und vor das Licht führt.
Irgendwo dazwischen
Licht! Das Hauptkonzept eines anderen Dungeons, dass die in Schatten gehüllten Gegner verwundbar macht, und eine neue Art des Denkens und der Strategie in das recht repetitive Gefüge inauguriert. Auch hier wird der typische Hebel durch das besiegen eines Minibosses ersetzt, wodurch die Erwartungen und der gleichbleibende Fluss gebrochen wird – eine nette, und nötige Abwechslung eben.
Die Dungeons passen sich der Welt an, sind glaubhaft als eines des Gefüges implementiert und integriert, dennoch kann man sich nicht von dem Gefühl befreien, dass sie hier keinen wirklichen narrativen Grund erfüllen – eben in diesem doch übersehbaren Aspekt keine scheinbare Daseinsberechtigung erfüllen. Titeln wie Skyrim fehlt es nicht an Expositionsstücken wie Notizen, Wandmalereien und Ähnlichem, die den Orten eine Geschichte verleihen, um den Spieler vergessen zu lassen, dass sie nur aus reinen Gameplay-Gründen da sind – weil sie es nicht sind. Elden Rings Dungeons sind völlig optional, ein Teil des Ganzen, den Unmengen an Befleckten kaum in ihr Inneres erforschen oder erleben werden. Doch aus schlichtweg diesem Grund hätten die, jene es zu ihrem Ziel machten, jede einzelne, auch noch so muffige Höhle zu erforschen, mit ein paar Geschichten aus den Zwischenlanden belohnt werden sollen. Wieso ist ausgerechnet dort ein Verlies? Was hat es mit den abstoßenden Ameisen auf sich, die sich hier eingenistet haben? Fragen, die selbst den professionellsten Entdeckern nicht beantwortet werden.
Letzten Endes tritt Elden Ring nicht ins selbe Fettnäpfchen. Die Dungeons, auf die man stößt sind, überwiegend, passend gestaltet, sei es im Sinne des Universums, im Spielspaß oder in der Schwierigkeit. Allerdings aber schwächelt das gesamte Konzept im Anbetracht dessen, was die Welt von Elden Ring sonst noch auf Lager hat. Eine reiche und bunte Vielfalt an Figuren, die durch die Zwischenlande streifen. Alle jene, die Geschichten im Schlepptau tragen, die nicht minder interessant sind, Areale, die sich vom Aussehen so sehr voneinander abkapseln, dass jedes ihren eigenen Satz an wertvollen Erinnerungen mit sich trägt, und ein Spielgefühl, welches man nur schwerfällig replizieren zu versuchen vermag. Was in einem Assassin’s Creed oder dem jüngsten Far Cry-Ableger wohl als Highlight gefeiert werden würde, ist in Elden Ring das reinste Mittelmaß.
In den Fängen des Sturmschleiers
Hat man also, seinem eigenen Empfinden nach, jeden Stein in Limgrave zweimal umgedreht, so geht es ins Schloss Sturmschleier, dem ersten sogenannten “Legacy Dungeon” in Elden Ring – die Zwischenlande heißen ja nicht sinnlos Zwischenlande. Wo Elden Ring in seiner offenen Welt innoviert, und auch knallharten Souls-Veteranen sein Fett wegbekommen lässt, so findet man in den Legacy Dungeons die bekannten Design-Philosophien, die auch die vorigen Titel des From Software-Katalogs zum Ruhm aufsteigen hat lassen. Sorgfältig kreierte Flure, Korridore und Gänge, die ihre eigene, intime Geschichte erzählen, mit unzähligen Geheimnissen, die ein knalliges Bild der Geschichte hinter den Zwischenlanden selbst ausmalen. Zudem werden die Gegner und Kreaturen so bedacht platziert, was jeden Kampf zu einem fairen Gefecht verwandelt – schwer, aber fair. Dazu sehen die Legacy Dungeons selbst auch einfach umwerfend aus. Schloss Sturmschleier; eine gefallene Bastion, die vergeblich an den güldenen Tagen Godricks festhält. Sie ist bis an die Zähne mit Kriegern, Monstern, Waffen und Verteidigung gewappnet, vielleicht, weil es immer noch in den Tagen des vergangenen Krieges weilt. Vielleicht aber auch, weil Godrick Besuch erwartet.
Die ersten Momente des Schlosses stellen sich mit einem der wohl berüchtigtsten Splitterträger vor, die die Zwischenlande zu bieten haben. Margit, das grausame Mal, ein Schlüsselspieler in der Tarnung der frühen Stunden, der sich bereits im jungen Jahrzehnt zu einem der ikonischsten Bosse dessen etabliert hat. Mit seinem massiven Körper schmettert er auch den steinernen Boden, wie ein verkohlender Komet, der sich in die Erdatmosphäre gebahnt hat, und trotz des trügenden Aussehens eine Wucht verbirgt, die Sekunden davor ist, seinen Einschlag zu hinterlassen. Was folgt ist ein nervenaufreibendes, in Schweiß getränktes Duell, das seine Höhen und Tiefen hat. Margit mag angejahrt aussehen, bewegt sich aber wie ein Anime-Protagonist, der gerade sein neuestes, finales Power-Up freigeschaltet hat. Sollte man es schaffen, ihn zum Wanken zu bringen, so enthüllt er seine eigentliche Forte, die in der Lichtmagie und -projektion liegt. Nun schwingt er neben dem guten alten Gehstock auch einen Hammer, der dem Befleckten die wahrscheinlich hellste Einleuchtung zeigt, wenn er ihn gegen den Schädel kriegt. Solltet ihr euch zu sehr im Schutz der Distanz baden, so wirft er mit grellen Lichtdolchen nach euch, die auch aus der Fassung bringen und euch für einen mächtigen Treffer entblößen. Margit fällt, und Sturmschleier liegt euch, wie sich herausstellen wird, mehr oder weniger, gänzlich zu Füßen. Zwei Optionen: ein Gefangener des Schlosses rät euch, den Hintereingang zu nehmen, der zugegebenermaßen brüchig aussieht, und nur so von Mörder-Gefieder wimmelt, die euch mit dem fraglos nervigsten Moveset den Blick verdrehen werden. Vertraut ihr dieser Gestalt allerdings nicht, so ist der frontal offensive Weg weiterhin eine valide Option. Das Tor steigt in die imperiale Wand und offenbart eine gesamte, gewappnete Armee, die keine Zeit damit verschwendet, den Befleckten auch nur Atemzüge im doppelten Bereich erhaschen zu lassen. Neben bewaffneten Löwen sind ebenfalls brennende Pfeilsalven euer Problem, ganz zu schweigen von den Töpfen, die um jeder Ecken lauern könnten, um die Flecken aus dem Befleckten prügeln zu können. Nach dem Ausbeuten von Godricks Waffenkammer fällt eigentlich erst auf, wie wenig Rüstung man doch in Limgrave findet. An Waffen, Zaubersprüchen, Kriegsaschen und Beschwörungsgegenständen wird kaum gespart, doch auf die unverschämt stylischen Rüstungssets trifft man deutlich viel zu selten. Ein Trend, der in Sturmschleier ansetzt, ist das Verstecken eigenständiger Areale innerhalb eines sogenannten Legacy Dungeons selbst. Beim Ausmerzen des Schlosses, während der Befleckte die Dächer, eines nach dem anderen säuberte, stolperte er unglücklich, und prallte in einem Loch auf, dass sich innerhalb der Schlossmauer befand, wo Teile einer riesigen Leiche ihre Augen auf den Protagonisten werfen; vorausgesetzt sie hätten denn Augen. Das Finden eines solchen Geheimnisses regt natürlich zur Recherche an, also befragt man so jede Figur, die bei Sinnen ist, ob sie etwas darüber weiß. Und tatsächlich: eine Figur erzählt von einem gefallenen Prinzen, der sich nun unter dem Gelände der mächtigen Festung breit macht. Ein Nebenboss befindet sich ebenfalls im Untergrund, doch das Mysterium der Leiche stiehlt im eindeutig die Show. Elden Rings Welt existierte schon bevor der Befleckte jenseits durch den Nebel brach, und Momente wie diese zeigen, wie fremd der zukünftige Eldenfürst doch in den Zwischenlanden ist.
Der Befleckte gönnt sich eine Pause vor dem ominös gelben Rauch, hinter dem sich der Fürst der Verpflanzung niederlässt. Wir lassen Revue passieren: Limgrave stellt nur ein mickriges Fünftel der gesamten Reise dar. Bereits hier findet man Ausrüstung, Persönlichkeiten und Gegenstände, die die Abenteuer und Erfahrungen eines jeden Befleckten in komplett verschiedene Wege splittern. Wer zum Beispiel den Schwerpunkt auf die Kunst der Kristallmagie setzt, der wird eine grundsätzlich andere Erfahrung haben, als jemand, der sich auf das Schmettern mit rauen, brutalen Brocken aus Eisen spezialisiert. Aber auch die Routen, in den Legacy Dungeons selbst sind, wie bereits bemerkt, nicht prädeterminiert. Vielleicht spart man sich aber Limgrave für später auf; schließlich knüpft Calid direkt an die Anfängerebene an, die die meisten aber erst nach dem Rollen des Kopfes Godricks betraten, weil es schlichtweg viel zu halsbrecherisch wäre, dort seine ersten Spuren zu hinterlassen. Jeder wird Elden Ring auf eine andere Art und Weise erleben, als man selbst. In den ersten Wochen bereits, ob auf YouTube, oder den pixeligen Übertragungen von Freunden, denen man auf Discord zuschaute, entdeckte man in deren Durchgängen viele Dinge, die einem in den persönlichen Zwischenlanden gar nicht über den Weg gelaufen, oder in die Hände geraten sind. Exakt das macht aber aus, was Elden Ring und auch die Dark Souls-Spiele schon in ihr metaphorisches Rampenlicht gerückt haben: die einsame Zusammenarbeit.
Zwischen den Zwischenlanden
Mittlerweile müsste jedem bewusst sein, wie desolat die Zwischenlande eigentlich sind, was, im Kontext betrachtet, aber natürlich keine sonderlich plötzliche Überraschung ist. Dennoch zieht sich ein Strang der kooperativen Einsamkeit durch den Titel, den man nur den From Software-Spielen zuschreiben kann. Um aber zu verstehen, wie das Ganze funktioniert und was es überhaupt soll, muss Miyazakis Philosophie hinter dem Gameplay-System nachvollzogen werden können. Eines eisigen Tages fand Miyazaki sich in seinem Auto wieder, als er mühselig versuchte, die steilen Straßen eins Berges zu bezwingen. Wie es so kommen sollte, blieb sein eisernes Gefährt in den Klemmen des unnachgiebigen Schnees stecken, was für Miyazaki wohl einen ostentativen Bosskampf darstellte. Die Fähigkeit, diesen alleine zu bezwingen, besaß der noch junge Miyazaki allerdings nicht. Stattdessen aber tauchten unbekannte Ortsansässige auf, die ihm ihre helfende Hand anboten. So schnell wie das Auto aus dem Griff der weißen Klaue befreit war, so schnell sind auch die Einheimischen wieder verschwunden, ohne, dass Miyazaki sich einmal richtig bedanken durfte. Es sind außergewöhnliche Situationen wie diese, die ausgefallene Konzepte und Ideen in die Welt setzen. Das Koop-System in so ziemlich jedem From Software-Werk baut sich auf dieser Erfahrung auf. Braucht ihr als Befleckter Hilfe, so könnt ihr am Ort, der euch Probleme bereitet, ein Rufsignal setzen, welches in den heimischen Örtlichkeiten jener auftaucht, die sich für die Hilfe bereiterklären. Einmal gerufen sind die freundlichen Helfer, die in verschiedenen Formfaktoren und mit verschiedenen Fähigkeiten kommen, so lange da, bis man den jeweiligen Boss besiegt hat, der der Herrscher des Areals ist. Was Elden Ring von den anderen Titel des Katalogs hervorhebt, aber, ist die einfache Tatsache, dass die Helfer diesmal auch gesonderte Teile der offenen Welt mit bereisen können. Hier findet sich ein Makel des Systems wieder. Die Koop-Begleiter, die in eure Welt eindringen, werden als Fremdkörper gesehen, und nicht als lebendiger Teil dessen. Viel mehr muss man aufs Neue den entbehrlich langen Prozess des Beschwörens angehen, der aber nichts in einem bahnbrechenden Spiel des frischen Jahrzehnts zu suchen hat. Die andere Seite der Münze zeigt die Spieler-gegen-Spieler-Seite, die für einige einen Hauptbestandteil des Titels abbildet. Wie auch schon im vorig veröffentlichten Dark Souls 3, legt man sein Siegel nieder, und wartet auf einen tapferen Herausforderer, der sich dem Duell stellt. Und obwohl die Verbindung oft zum Verhängnis der Kämpfe wird, so trifft man auf Kontrahenten, die sich auf die unterschiedlichsten, teils auch wahrlich exotischsten Waffenarsenale spezialisieren. Natürlich begegnet man meist dem klassischen, stoischen Ritter, die einzig und alleine mit seinem Streiteisen versucht seine Widersacher zum Schweigen zu bringen. So trifft man aber auch auf Krieger, mit der lächerlichsten Rüstung, vor denen es sich aber am meisten zu achten gilt, weil sie die unheilvollsten Flüche herausholen, die man wahrscheinlich, noch nie zuvor gesehen hat. Elden Rings breite Auswahl, an so ziemlich allem, was man selbst individualisieren kann, ist so unglaublich umfangreich, dass man das Spiel auch noch nach mehr als fünf Abenteuern erneut durchspielen kann. Ein solch hoher Grad an Wiederspielbarkeit, der im Endeffekt nicht nur künstlich und aufgebläht ist, wird, besonders bei Spielen der Triple-AAA Studios zur glänzenden Rarität.
Jeder kann ein Befleckter sein, auch du, der Leser. Was wie Zeilen klingen, die man im großartigen Ende von Spider-Man: A New Universe hören würde, beschreibt den schieren Grad an Anpassung, den Elden Ring seinem Hauptcharakter schenkt. Wie in vielen Spielen, kann man auch hier seinen eigenen Charakter erstellen, anpassen, und jenen aussehen lassen, wie man es sich wünscht. Dabei werden nahezu keine Grenzen gesetzt, ob Haarfarbe, Bartdichte, Muskelmasse, oder auch die Knochenlage einzelner Strukturen ist Elden Rings Charaktererstellung ausgiebiger, also so manche andere. Selbst die Dunkelheit der Haarwurzeln kann angepasst werden, ob bei Bart oder Frisur. Viele dieser Optionen sind unnötig akribisch, allerdings ist es diese Liebe zum Detail, die den Editor so herausstechen lässt. Was dabei unglaublich interessant ist, ist die Entscheidung, keine Geschlechteroptionen zu geben. Die Option wird schlichtweg nicht angeboten. Anstelle davon wird von Körpertypen gesprochen, die dann aber weiblich und männlich aussehende Optionen anbieten. Hat man also Körper, egal ob selbst kuriert oder sich von einer der Vorlagen inspiriert; Stimmen, von denen einige teils nervtötend sein können, wenn man sich dessen Klang mehrere hunderte von Stunden aussetzt, und Namen ausgesucht, geht es an die Klassen, die ihren Nutzen natürlich erfüllen, gleichzeitig aber auch hervorragend gestaltet sind, wie es keine From Software-Klassen zuvor waren. Die Erste, die euch begegnet, ist die des Vagabunden – des „Allrounders“. Ein heruntergekommener Ritter, der dementsprechend aussieht. Sein neutraler Build erlaubt es euch, ihn in jede erdenkliche Richtung zu nehmen. Wie sein Aussehen schon vermuten lässt, ist er sozusagen ein unbeschriebenes Blatt. Auf der anderen Seiten gibt es dann aber auch den nomadischen Krieger, der mit einem recht ausgefallenen, orientalisch inspirierten Design ganz klar heraussticht. Mit einer hohen Beweglichkeit, dem Führen zweier, gekrümmter Klingen und einem Bogen in petto stellt er nicht nur ein diversifiziertes Arsenal in den frühen Stunden des Spiels zu Verfügung, er bewegt sich auch ganz klar auf dem Pfad der Geschicklichkeit. Des Kriegers Gegenstück ist ganz klar der barbarische Held, der seinen Teil aussieht und sich völlig, mit der rustikalen Kriegsaxt, auf die Stärke schwört. Auch Samurai gibt es, die, wer hätte es gedacht, Katanas mit sich führen. Die andere Seite des Spektrums fällt jedoch ein wenig extravaganter aus. Propheten opfern ihr Augenlicht, um die schimmernde Verheerung über die Lande dazwischen in Brand zu setzen. Mit Pyromanie sagt man dem Nahkampf ab, und lernt den Fernkampf zu schätzen. Andere spezialisierte Klassen schwören auch auf die Magie, doch wenn man einen völlig neutralen Charakter steuern will, entscheidet man sich für den splitterfasernackten nackten Bettler, der mit Sage und Schreibe nichts anfängt. Die Basiswerte, Vitalität, Kondition und Geist, werden euch bis ans Ende begleiten, entscheiden muss man sich jedoch für eine Spezialisierung, wie eben Stärke, Geschick oder den Zauberblock mit Intelligenz, Glaube und Arkanenergie. Das Sahnehäubchen entpuppt sich in den letzten Etappen der Charaktererstellung als ein Helfergegenstand, der euch in den ersten Stunden des Spiels behilflich sein soll. Darunter: der übliche Haufen an Runen, der euch am Anfang bereits einen kleinen Vorsprung in der Form von drei Leveln ermöglicht, eine goldene Saat, die das Potenzial der Estus Flakon Äquivalente steigert und ein ominöser Satz an Schlüsseln, der etwas in der ersten Kirche freizuschalten scheint. Auch hier können Veteranen das großzügige Angebot ablehnen und sind auf keine Weise darauf angewiesen.
Bereits in den Grundzügen des Charaktereditors spiegelt sich die simple, aber dennoch ungemein funktionale, und integrierte Benutzerfläche wider, die eine Hauptkomponente dessen ist, was Elden Ring so besonders macht. Wie das Spiel nicht versucht, die Hand des Befleckten durch die Zwischenlande zu halten, so beschränkt sich die Benutzeroberfläche auf nur das, was essenziell ist. Viel zu viele Projekte in der heutigen Zeit rutschen in einen übersättigten Zustand der allgemeinen Oberfläche, die dem Konsumenten selbst keine eigene Zeit gibt, über die Welt, dessen Bewohner und seine Aufgaben nachzudenken. Stattdessen steht in der oberen Ecke keine penetrante Box, die einem befiehlt, wo man mit wem reden muss, um etwas zu machen, was sich in der unmittelbaren Umgebung befindet, und auch keine ellenlange Inventarleiste, die auch noch jeden so belanglosen Gegenstand in greifbare Nähe rückt. Außerhalb der Kämpfe hat Elden Ring nichts dergleichen; und selbst dann zeigt es nur die nötigen Leisten an, Ausdauer-, Lebens- und die neue Manaleiste, das Inventarkreuz unten links und die Minikarte, die man selbst aber nach Belieben ausstellen kann. Elden Ring hätte die Schiene der Industrie fahren können, die sowieso auch schon so ziemlich jeder andere Entwickler fährt, der sich einen Namen gemacht hat. Schienen sind aber kein Ding der Ewigkeit, sie nutzen ab, und müssen erneuert, im schlimmsten Falle sogar ersetzt werden, damit die Eisenbahnen am Ende des Tages trotzdem ihr Ziel erreichen können.
Von Langschwertern, Äxten und Peitschen
Godrick ist gestürzt, also wäre vielleicht jetzt der richtige Zeitpunkt, sein eigenes Arsenal ein wenig aufzupäppeln. Dolche, Kurzschwerter, kolossale Kriegseisen gehören alle jeweils ihrer eigenen Klasse an, sind aber im reinsten Sinne Schwerter, und unterscheiden sich in Aspekten wie Schnelligkeit und besonders Reichweite. Wo ein Dolch für flinke, aufeinanderfolge Stiche sorgt, so ist das kolossale Schwert eines, welches in der gleichen Zeit vielleicht nur einen Hieb zustande bringt, dieser dann aber für eine ordentliche Wucht sorgt. Schwerter kommen später auch noch in verschiedenen Krümmungen und, zugegebenermaßen aber selten, noch mit einer Klinge am anderen Ende des Griffs. Was die reine Anzahl an Waffentypen angeht, sind die Schwerter aber, zum Glück, in der Minderheit: Hammer, Äxte, Speere, Fäuste, Peitschen und, zum allerersten Mal in From Softwares-Karriere, die unterbewerteten Morgensterne des Mittelalters. Was den Nahkampf angeht, kann man dieses Mal nicht behaupteten, dass sie hier jemanden auf der Strecke zurückgelassen haben. Für wirklich jeden Kampfstil gibt es hier eine Antwort, mit mehreren Optionen. Leider kommen manche Waffentypen viel zu kurz, wie zum Beispiel eben Morgensterne und Peitschen, die einen einzigartigen Stil verstecken, aber meist nur wenige, sich in der einstelligen Ziffer befindenden Modelle, vorzeigen können. Neben Bögen gibt es natürlich auch das große Lager der Magie. Auch hier gibt es verschiedene Arten von Zaubereien, die sich in blaue Kristallmagie, rote Blutmagie, purpur Gravitationsmagie, dunkelblaue Nachtmagie, feurig orange Magmamagie, graue Todesmagie und der besonders fesselnden Mondmagie einteilen lassen. Jede einzelne Gruppe der Zaubereien trägt eine Hauptfarbe und kündigt sich bei der Anwendung als einer seiner jeweiligen Gruppe an. Die Zaubereien, egal welcher Gruppe, erscheinen in verschiedenen Formen, haben aber exklusive Effekte, je nachdem welcher Gruppe sie entspringen. Blutmagie verursacht einen Blutungseffekt, der, sobald die Leiste ihr Ende erreicht hat, was überraschenderweise schneller passiert, als man damit rechnen würde, einen beachtlichen Teil des Lebens im Blinzeln des Auges verschlingt. Gravitationsmagie hingegen zieht das bedauernswerte Opfer des Angriffs zum Anwender, damit dieser kurzen Prozess mit seiner Beute machen kann. Unter Anrufungen versteht man Magie, von der auch nicht-Stabträger Gebrauch machen können, und beinhalten meist die Haupttechniken verschiedener Bosse. So erhaltet ihr nach dem Kampf gegen den Schmelztiegelritter seine Schweiftechnik, die alles im Radius von 30 Metern aus den Socken haut. Neben all diesen Sachen beherrscht eine Waffe auch aber eine sogenannte Kriegsasche, die der Waffe eine einzigartige Fähigkeit verleiht. Nahkämpfer können so ein wenig Magie in ihre Ausrüstung streuen, oder aber auf weitere bösartig wilde Attacken setzen. Kriegsaschen kann man bestimmten Figuren abkaufen, oder aber auf der Oberwelt finden. Verschiedene Waffen kommen ebenfalls mit einer speziellen Kriegsasche, die man nicht modifizieren kann, wie man es sonst bei anderen tun kann, und dort dann auch einen Effekt, sei es Eis, Blutung oder Qualität, ausrüsten kann. Für die, die sich nicht mit dem Multiplayer-Aspekt auseinandersetzen wollen, gibt es erstmals auch Beschwörungsgegenstände, die legendäre Figuren, oder den üblichen Ritter, auf eurer Seite kämpfen lassen, bis diese wieder zur Form der Asche zurückkehren. Eine besondere Beschwörung dabei stellt sich in der Imitatorträne vor, die einen Klon des eigenen Charakters heraufbeschwört. Dieser benutzt dann alles das, was gerade ausgerüstet ist, und wird dadurch zu einem der stärksten Gefährten, den die Zwischenlande bieten können. Elden Rings Repertoire an Ausrüstung, ob Waffen, Zaubereien, Beschwörungen oder Kriegsaschen ist riesig, und erlaubt somit eine astronomisch hohe Ziffer der einzigartigen Kombinationen, die man selbst erstellen kann.
Die Rast ist vorbei, das Abenteuer schreitet weiter voran. Die Gnade Marikas signalisiert uns mit ihrem leitenden Licht, wo wir die nächsten Fragmente des elementaren Rings finden. Einmal auf die Karte geschaut, bemerkt man, dass sie immer gigantischer wird, und das Spiel absichtlich mit der Skalierung spielt, um euch nie Klarheit darüber zu geben, ob ihr dem Rand der Welt näher kommt. Sammelt man die ersten Eindrücke in einer neuen Ortschaft, so stellt man fest, dass jede ihre eigene Karte irgendwo verbirgt, die eure eigene vollständig werden lässt. Umso befriedigender ist es also, wenn man endlich einen neuen Teil der Karte in die Finger bekommt, und sie somit voller wird. Ähnlich wie in Nintendos Breath of the Wild kann auch Elden Rings-Karte aufatmen. Die meisten Symbole, die sich auf dem praktischen Atlas befinden, sind jene, die man selbst platziert hat, jetzt ganz abgesehen von den Zeichen, die die Stellen der Gnade markieren. Neben einer netten Anzahl an Markierungen, kann man Wegpunkte platzieren, die auf der Oberwelt wie ein Leuchtfeuer brennen. Mit dem Fast-Travelling-Trend ist From Software allerdings mitgegangen, und das mit genießbarem Erfolg: die vielen Stellen der Gnade ermöglichen ein Fast-Travelling-System, dass die meisten wichtigen Lokalitäten erreichbar macht, und die übergroße Map miteinander verknüpft. From Software innoviert, zwar nicht in jedem Aspekt, übernimmt jene aber ohne sie zu verstümmeln.
Limgrave selbst war eine überzeugendere, glaubhaftere und lebendigere Welt, mit seiner Handvoll Figuren, die ihre Rolle auf der melancholischen Bühne in Gänze gespielt haben. Auch das Stück, das Limgrave sein Eigen nennen darf, lässt einen friedlichen Schleier andeuten, dessen unbekanntes Inneres eine misstrauische Note andeuten lässt. Die Kreaturen, die dem Befleckten ans Leder wollten, bereiteten ihn auf das vor, was noch kommen würde. Die Riesenfledermäuse, die vergeblichst versuchen euch das Fleisch vom Knochen zu knabbern, dessen Knirschen der Zähne im Surround Sound in beide Ohrkanäle kriechen. Von einer Klippe aus, direkt hinter Godricks Sturmschleier, blickt ihr nun auf Liurnia herunter, ein wässriger Sumpf mit felsigen Klippen, die sich über das gesamte Areal ziehen. Hier merkt man jedoch bereits, dass Liurnia nicht mehr mit Inhalten vollgestopft ist, wie es Limgrave war. Der Großteil Liurnias selbst ist ein knöchelhoher Teich, dessen Gegner vielleicht noch nervtötender sind, als jene in Limgrave. Über das Hauptland gibt es kaum etwas Nennenswertes zu verlieren; was Limgrave richtig gemacht hat, macht auch Liurnia richtig. Den absoluten Höhepunkt stellt die Magierakademie Raya Lucaria dar, die sich mit einem magischen Siegel von der Außenwelt abzukapseln versucht. Ein Paradies für so ziemlich jeden Magier, nachdem man den Schlüssel aus dem Nest des Kristalldrachen entbehrt hat. Das organische und sorgfältige Design, das Sturmschleier zuteilwurde, darf auch Raya Lucaria erfahren. Ein dunkler, von Sternen gezierter Himmel prägt Raya Lucarias Identität. Zwischen den Gebäuden, die eigene Unterrichtsräume vorzeigen können, wächst einiges an Grünem, das verschiedenen, hinterhältigen Gegnern einen schattigen Ort gibt, der einen Hinterhalt praktisch vorprogrammiert. Im Inneren, in dem Hauptgebäude, wartet Rennala, Königin des Vollmondes, Mutter von Ranni der Hexe und die letzte Königin der Carian. Ihre Titel eilen ihr voraus, da sie in den Zwischenlanden wohl die kompetenteste Magierin ist, auf die ihr treffen werdet – die man auch, wie soll es anders sein, zur Strecke bringen muss. In den ersten Minuten des ominösen Kampfs singen ihre Schülerinnen ein zartes, gleichermaßen aber beklemmendes Lied. Sie instrumentalisiert ihre Schülerinnen, die man niederstrecken muss, bevor Rennala selbst aus ihrem schützenden Schild fällt. Ist ihr Schild erst einmal gebrochen, so verwandelt sie die Halle zu einem wahren Augenschmaus. In einer endlosen Arena voller Wasser, vor den Augen des allsehenden Mondes, steht man der Königin der Magie gegenüber, die ihre schwersten Geschütze ausgefahren hat. Zaubereien, die wie ein Kamehameha aus Dragon Ball aussehen, Kristallmagie, die den Beflecken auf Schritt und Tritt verfolgt, und ein Miniaturmond, der seine ganze Energie absondert, sollte man denn zu nah kommen. Rennala wird verzweifelt und ruft so die Geister vergangener Helden und Kreaturen in den Kampf, die sie mit ihrem, bereits vergangenen, Leben verteidigen sollen. Hier ruft sie gewöhnliche Ritter, aber auch einen versklavten Riesen und natürlich auch einen ganzen Drachen – wieso denn auch nicht. Rennala stirbt aber nicht. Viel mehr übergibt sie dem Befleckten ihren Anteil am Elden Ring und lässt sich genau dort nieder, wo man sie zuallererst fand. Rennala eröffnet dem Befleckten eine edle Chance, im Austausch eines Items, sein gesamtes Potenzial neu zuordnen zu können. Besonders im späteren Verlauf des Spiels kommt dies als Segen, weil die finalen Gefechte mit den Halbgöttern zu den anstrengendsten Herausforderungen der Konsolengeneration werden, an die man mit verschiedenen Strategien herangehen muss. Letztendlich ist Liurnia von allen aber wohl das Gebiet, über das man am wenigsten nennen kann. Außer der zentrischen Magierakademie, bleibt nichts wirklich hängen, dass den Zaubersumpf ausmacht. Alles, worauf man zurückblicken wird, ist das Geräusch des Plantschens, das man hört, während man sich durch die wässrige Ebene bewegt. Liurnia fühlt sich wie der verkommene Garten hinter Limgrave an, dem nicht sonderlich viel Liebe zuteilwurde.
Das wohl prägnanteste Biom hingegen ist wahrscheinlich das scharlachrote Calid. In einem der vielen Dungeons in Limgrave gibt es eine suspekte Truhe, welche eine Menge Schlafgas absondert, und euch nach Calid schickt, das in den ersten Stunden des Spiels wohl die Elden Ring-Äquivalente der Hölle ist. Überall Gegner, die doppelt so groß sind, wie der Befleckte selbst und in einem das Verlangen entfachen, sich wieder gegen die Godrick-Ritter oder Riesenfledermäuse stellen zu wollen. Verstümmelte, überdimensionale Hunde, die ihren faulenden Körper auf euch werfen, um euch zu verschlingen. Gegner, die mit Blutmagie nur so um sich werfen und finstere Engel, die mit noch nie zuvor gesehener heiliger Magie hantieren. Es fühlt sich an, als hätten die Designer die regulären Gegner mit Minibossen austauscht. Einst das glorreiche Land des legendären Kriegers, der die Sterne festhielt, ist es nun nur noch eine Hülle seiner früheren Blütezeit. Im Kampf gegen die ominöse Malenia, Klinge Miquellas, die Radahn und sein Land mit dem Fluch der Scharlachfäule belegte, fiel sein Land, doch sein treuester Gefolgsmann überlebte, um Radahn seinen letzten Wunsch zu erfüllen. Mit rund zwölf Beschwörungshelfern hat ein Kampf in Elden Ring nie solche Ausmaße erreicht, wie man sie bei Radahn vorfindet. Passend, da er eine der wohl stärksten Kreaturen in den Zwischenlanden ist – der Mann, der die Sterne zum Stillstand brachte. Radahn lässt sich auch durch die stärksten Angriffe nicht ins Taumeln bringen: mit verheerenden, ausholenden Hieben bringt er den roten Sand seines Kampfplatzes zum Wirbeln. Mit der Gravitationsmacht, die seine Forte ist, zupft er den Befleckten zu sich, bevor dieser zum Sand wird, der den Boden seiner Arena bildet. Sollte man sich jedoch als tapfer beweisen, schießt Radahn, inklusive Pferd, ohne zu zögern gen Himmel, und sein effektvolles Thema mit sich mit. Stille, Hand in Hand mit der Unsicherheit, wie es denn jetzt weitergeht, füllt den Verstand und die scharlachrote Düne. Ein leichtes Knistern macht sich bemerkbar, und scheint immer näherzurücken. Vielleicht eine Fata Morgana – doch ein grelles Etwas reißt ein Loch in den roten Schleier, der sich Himmel nennt. Nun liegt es an den Instinkten, der, hoffentlich, kurzen Reaktionszeit und einem Händchen für Improvisation, Radahns Sturz zu überleben. Einmal überlebt, steht man einem entfesselten Radahn gegenüber, dessen abgemagertes Pferd inzwischen eine noch mächtigere Last auf seinen Salzstangenbeinen tragen muss. Die geballte Ladung seiner Gravitationskraft nistet in Radahns Klingen, und zeigt sich in Form der umkreisenden Felsen, die seinen Körper beschützen. Der Kampf gegen Radahn ist wie kein anderer. Besonders das Ende unterstreicht diese Vorstellung, welches uns den Befleckten zeigt, wie er sich sprachlos den unendlichen Sternenschauer anschaut, der die Zwischenlande befällt. In Calid versteckt sich nicht nur die weitgehendste, und interessanteste Hintergrundgeschichte, sie ist auch das Heim des einprägsamsten Bosses in den Zwischenlanden.
Das stille Crescendo
Wie rot und blau, für die Durchschnittsperson, konnotierte Antonyme voneinander sind, so stellen auch Calid und der abschließende Bereich, der Berggipfel der Riesen, einen Gegenteil dar. Eine riesige Schneespielwiese, welche den Tod und die Fäulnis verkörpert, die die Zwischenlande befallen hat. Kilometerlang nichts, außer weiße Ebenen, verziert mit toten Bäumen. Eines der mit Abstand ausgedehntesten Gebiete, das aber nichts wirklich zum Großen Ganzen beiträgt. Neben der langweiligen Präsentation sieht es aber auch im Bereich der NPC-Geschichten und Dungeons mager aus. Von den berüchtigten Verliesen gibt es hier nur eine Handvoll – alle, die sich aber nicht vom üblichen Dungeon abheben können, was man sich von ihnen allerdings, spätestens hier, am Ende, wünschen würde. Ein Motiv der Unbedeutsamkeit zieht sich fatalerweise durch die gesamte Zeit, die man an der Spitze der Welt verbringt. Auch die Rätsel, die die öde Landschaft einem entgegen wirft, sind willkürlicher gestaltet, als jene, die man in Limgrave und auch Liurnia lösen musste. Beispielsweise betritt man ein, wohl kaum von Schnee, verlassenes Dorf. Einst ein belebter Mittelpunkt in einem eingeschneiten Land, ist es nun ein Testgelände, in dem ein unsichtbarer Assassine euch auf Schritt und Tritt verfolgt. Wäre das schon nicht genug, so muss man auch Laternen aktivieren, die man auf akribischste Weise suchen muss. Insgesamt ist der Berggipfel wohl der höchste Punkt der Welt, aber ohne zu Zweifeln absolut nicht der Höhepunkt der Reise.
Aufgrund der Natur der Art des Spiels, das Elden Ring sich entschied zu sein, ist das Pacing ein völliges, schlampiges Chaos. In anderen Titeln der From Software Spielografie ist alles ein lineares, bewusst zusammengestelltes Abenteuer, das aufeinander abgestimmt ist. Wo man drei reguläre Gegner bezwingt, darauffolgend ein imposantes, Miniboss-ähnliches Monster niederschmettert und sich letztendlich dem einen, gigantischen Boss stellt, kann man in Elden Ring durch mehrere Gebiete gehen, ohne überhaupt einem der Hauptgegner zu begegnen. Man kann viele Stunden, von zehn bis hin zu dreißig, verbringen, bis man überhaupt gezwungen ist, einen Boss zu bekriegen. Das Pacing wird besonders am Ende absurd, wenn man innerhalb weniger Meter vier Splitterträger besiegen muss. Natürlich sind das die wenigen faulen Früchte, die eine Open World unabdingbar zu tragen hat, dennoch aber zieht es ein sonst fast perfektes Werk von seiner glänzenden Grandiosität herunter. Ein weiteres Manko, das damit einhergeht, ist die Balancingkurve der Kämpfe, die am Ende in eine scharfe 180-Grad-Wende einschwenkt. Anfangs ist es unglaublich leicht, sich, für das, was einen erwartet, zu sehr vorzubereiten, sodass man alles mühelos vernichtet. In den letzten Stunden jedoch ist dies eine sinn- und fruchtlose Bemühung, da hier das exakte Gegenteil eintrifft. Egal, wo man seine Runen hinschüttet, einen wahrnehmbaren Unterschied wird man nicht erwarten können. Dank Rennalas Wiedergeburt können wir dem Befleckten alle möglichen Werte zuweisen, vorausgesetzt, man hat eben die Stufe dafür. Ein Boss, der sich als besonderes Hindernis herausstellt, ist die, selbsternannt, unbesiegbare Malenia, die ihrem Namen aber auf frustrierende Weise gerecht wird. Ein Souls-Boss, wie er im Buche steht: schnelle, rapide Angriffe, mit einem dekadenten Fenster, in dem man zuschlagen kann. Die obligatorische zweite Phase, die aber nur wenigen Bossen zuteilwird und ein musikalisches Stück, das das eigene Herz rhythmisch zum Rasen bringt. Da Miyazaki sich aber immer selbst übertreffen muss, und nie vorhersehbar sein möchte, ist tief in Malenias Kern ein Gimmick vergraben, das den Kampf von Grund auf ändert. Bereits in jedem anderen Gefecht war es wichtig, auszuweichen und sich nicht schneiden zu lassen, doch vor Malenias Türschwelle ändert sich der gesetzte Status Quo. Jeder Hieb, den man als Befleckter einbüßt, dient Malenia als Heilung. Viel mehr als sonst gilt es also, rigoros auch die noch so minimalste Bewegung zu studieren, um ihr drei Schritte voraus sein zu können – meist sieben Schritte zu wenig. Ob das faire, oder eben unfaire Gestaltung eines Bosses ist, spaltet die strapazierten Gemüter der Fangemeinde, aber auch der Gelegenheitsspieler selbst. Faktisch wurde die Messlatte und Schwierigkeitskurve mit diesem Duell aber auf astronomische Höhen gesetzt, fast wie aus dem Nichts, und selbst das Aufwerten der eigenen Werte scheint nichts zu bringen, was ein ausgeprägteres Verständnis des Gameplays selbst erfordert, auf welches aber nicht kontinuierlich hingearbeitet wurde, ab keinem bestimmten Punkt im Spiel. Mit dem recht unbegründeten Gimmick also wird der Sieg über Malenia zu einem scheinbar unerreichbaren Ziel am Horizont. Insgesamt fällt auf, dass jeder der Bosse am Ende der Reise eine deutlich größere Herausforderung darstellt, als sie es am Anfang taten. Eine Open World so zu gestalten, dass die Levelverteilung mit der Schwierigkeit übereinstimmt, war schon vor Elden Ring ein bekanntes Problem, das aber niemand zu beheben wusste – From Software bedauerlicherweise aber auch nicht.
Der Kern des Ganzen
Jeder hat bestimmt schon einmal ein Buch, Band eines Mangas, oder aber sicherlich ein physisches Videospiel in einem online Store, der höchstwahrscheinlich Amazon war, bestellt. Voller Vorfreude klickt man also wie ein Kind in 20-Minuten-Intervallen auf die Sendeverfolgung, obwohl man schon weiß, dass sich dort noch nichts tun konnte. Nun vergehen also ein oder zwei Tage, bevor es dann endlich an der Tür schellt. Es ist da, es liegt in euren Händen – alles, was euch vom Glück trennt ist ein, meist, übergroßer Pappkarton. Mit dem Messer ausgerüstet erlegt ihr das pappene Biest, und reist ihm seine Beute direkt aus dem Magen. Dort ist es jetzt also – euer Schatz. Ein Schatz, der trotz seiner euphorischen Bedeutung, auch seine noch so winzigsten Abnutzungsspuren nicht verheimlichen kann. Abnutzungsspuren sind ärgerlich, reisen aber den brillanten Kern nicht nieder, der einen wohl willig zum Kauf gezwungen hat. Schließlich kauft man sich keine Bücher oder Blu-Rays, nur um sie im Regal versauern zu lassen, oder?
Elden Ring verhält sich nicht anders. Die Zwischenlande sind die atemberaubende Kulmination dessen, wofür die Entwickler bei From Software in den vorigen Generationen ihr Schweiß und Blut gegeben haben. Ein so umfangreiches Arsenal an Waffen, Magie, Rüstungen, Beschwörungen, Kriegsaschen und Ausrufungen, dass die Aufzählungen lächerlich und unschön lang werden. Kolossale Bosse, auf die durch subtile Ausschmückung der Welt und des Universums kontinuierlich hingearbeitet wird, und das sogar eher passiver, als aktiver Natur. Untermalt von einem Soundtrack, kreiert von renommierten Musikern wie Yuka Kitamura, der auch schon für die bahnbrechenden Klänge andere From Software-Spiele sorgte, der passender, und aufregender nicht sein könnte, aber die Welt in all ihren Facetten nahtlos festhält, nicht nur in den triumphalen, aufreibenden Momenten. Offensichtlich hat Elden Ring Makel, die es aber in seinen Kinderschuhen überraschend minimal gehalten hat. Seine grauen Dungeons sind im geflochtenen Netz der From Software-Kunst vielleicht blasser, als die anderen Elemente, heben sich aber von ähnlichen Elementen in zeitgenössischen Beispielen qualitativ deutlich hervor. Die unfaire und steile Balancierungs- bzw. Schwierigkeitskurve fällt besonders als eitrige Beule auf, da es die gesamte Schwierigkeit, und das, was man bereits gelernt hat, kontrastiert und den Befleckten nicht einmal annähernd gescheit heranführt, bzw. vorbereitet. Dennoch bleibt es aber nur genau dabei – nervige Abnutzungsspuren, die einem aber nach nur zwei Wochen schon egal sein werden. Im Kern steckt etwas wahrlich besonders, dass die Schwelle zwischen Narrative, reinem Spielspaß, Qualität und einer unglaublich glaubhaften Welt verwischt. Elden Ring konzentriert sich nicht nur auf einen Aspekt, den es dann vielleicht meistern würde, andere dafür aber zurückließe – alle Aspekte sind raffiniert, bis zum höchsten Glanz poliert. Auch in fünfzig Jahren, wenn der nächste Miyazaki das nächste Elden Ring konzipiert, wird man auf diesen Titel zurückblicken. Selten kommt ein Werk heraus, das so besonders ist, dass man darüber mehr als 10.000 Worte verlieren kann. Wo es für die japanische Goldgrube From Software als Nächstes hingeht, kann wohl niemand richtig verraten. Ob sie bei ihrer bewährten Formel bleiben, ob Miyazaki abspringt und die nächste Generation der Miyazakis vorbereitet oder ob Mutterfirma Kodansha das Studio zur Spieleentwicklung von Isekai-Anime-Adaptionen verdammt, ist jedermanns Unwissen. Was man aber sagen kann ist, dass Elden Ring ein wahrlich krönender Abschluss einer dreizehnjährigen Erfolgssträhne sein kann, und vielleicht ja auch sogar schon ist. Elden Ring ist das Beispiel dafür, was passiert, wenn ein Entwickler eine grandiose Vision hat, die von seinem Vorgesetzten bedingungslos unterstützt wird und mit so viel Zeit gefüttert wird, wie es das nun eben braucht. Leider eine Seltenheit in der heutigen Branche. Elden Ring ist das unglaubliche Abenteuer, das niemals enden möchte, von dem man sich selbst wünscht, dass es niemals enden würde.