Die beliebtesten und bekanntesten Spiele unserer Gegenwart sind meist actiongeladen, schnell und bringen das Herz in ihren spannendsten Momenten in Wallung. Aber hinter der Fassade des Mainstreams verstecken sich Spiele, die sich dem entgegensetzen. Anstatt Horden von Gegnern niederzuschießen, -schlagen oder -stampfen, hört man sich in „Coffee Talk“ die Alltagsgeschichten der Kunden an und bearbeitet deren, teilweise exotischen, Bestellungen.
In „Coffee Talk“ übernimmt man die Rolle eines Baristas und Besitzers des gleichnamigen Cafés „Coffee Talk“ in Seattle. Tagtäglich eröffnet man zur späten Stunde das Café, wo dann Stammkunden, aber auch frische Kunden Platz nehmen, untermalt von einem entspannten Lo-Fi Hip Hop Soundtrack, den man über „Shuffld“, dem Spotify des Universums, selber kontrollieren kann. Da die Welt von verschiedenen Rassen wie Orks, Elfen, Sukkuben, Katzenmenschen, Vampiren bewohnt wird, kommt es zu einer Riege von farbenfrohen, unterschiedlich und einzigartigen Charakteren. Die Welt scheint von Grund auf anders als die Unsere, trotzdem bestimmen Probleme wie Rassismus, schlechte Arbeitsbedingungen und komplizierte Familienbeziehungen den Alltag unserer frustrierten Kunden. Besonders stark ist der Indie-Titel in der Inszenierung der Atmosphäre des kleinen Cafés und in der Weise, wie die Charaktere des alternativen Seattles geschrieben sind. Menschen machen den kleinsten Teil der Hauptcharaktere aus. So zum Beispiel redet ihr oft mit dem Werwolf/Vampir-Duo, Gala und Hyde. Unterschiedlicher als diese Beiden es sind, geht es wohl kaum und dennoch sind sie seit mehr als hundert Jahren beste Freunde. Als Supermodel ist Hyde viel unterwegs, und erzählt so Geschichten von seinen Reisen, oder aber auch von seinen Erlebnissen vor seiner Rettung durch Gala. Der Werwolf ist einer der einfühlsamsten Charaktere und hilft den anderen bei ihren Problemen so gut es nur geht. Neben ihnen ist der relevanteste Charakter wohl Freya. Eine junge Autorin, die seit Jahren schon Stammgast ist und nun ein Buch über die Geschichten des Coffee Talks schreibt. Der Twist an ihrer Fassung der Geschichten ist aber, dass alle Charaktere Menschen sind, anstatt der jeweiligen Rassen. Als Freyas Freunde davon hören, sind sie förmlich schockiert. Sie haben keinen Schimmer, wie man Problemgebiete wie Rassismus alleinig zwischen Menschen darstellen soll, was, in Anbetracht auf unsere Welt, ziemlich ironisch ist.
„Coffee Talk“ ist purer Seelenbalsam in Spielform. Völlig entspannt hört ihr euch die Geschichten der betrübten Gäste an, bereitet ihre Getränke vor und badet in der besänftigenden Atmosphäre des Cafés. Die Geschichten basieren meist auf sehr bedränglichen Problemen der echten Welt. Das Spiel macht euch nachdenklich, schafft es aber auch die beruhigende Atmosphäre beizubehalten. Es ist eine ziemlich spezielle Erfahrung, die es aber auch vermehrt in den letzten Jahren gab. Und obwohl die Hauptgeschichte insgesamt eine wirklich schöne Erfahrung war, gibt es doch viele Kritikpunkte, die dem großen Ganzen den Glanz stehlen.
Bei einem Visual Novel wie „Coffee Talk“ muss man sich darauf einstellen, wenig Gameplay zu erwarten. Das Spiel ist, wie der Entwickler selbst beschreibt, ein „Emotionaler Talking-Simulator“. Wenig Gameplay stellt bei einem Visual Novel kein wirkliches Problem dar. Allerdings wird es zum Problem, wenn das vorhandene Gameplay viel zu mager ist.
Das Kaffeekochen sollte eigentlich ein Wiedererkennungsmerkmal des Spiels sein und somit auch eines der stärksten Aspekte. Man stellt die verschiedenen Getränke her, indem man drei Zutaten in einer bestimmten Reihenfolge mischt. Zusätzlich kann man bei manchen Getränken auch mit Milch kleine Zeichnung und Symbole aus freier Hand ins Getränk einschenken und formen. Die Spielerei macht Spaß und passt vollkommen in das Setting des Spiels, jedoch ist es mit einem Controller oder einer Maus sehr kompliziert und lästig etwas in den Kaffee zu setzen. Glücklicherweise ist es aber optional, da meine Getränke mit „Latte Art“ nur miserabler aussehen würden. Letztendlich wünscht man sich beim Kaffeekochen einfach mehr Tiefe. Die Basis, die man so im Spiel vorfindet, funktioniert und ist zwischenzeitlich interessant, doch nach dem 20. Getränk wirkt es eher wie eine Last als ein spaßiges Spielelement.
Was aber viel mehr stört, als das kaum ausgebaute Kaffeekochen ist der viel zu schnelle Verlauf der Geschichte. Als Barista steht ihr abends lediglich hinter der Theke und hört euch die Geschichten der besorgten Gäste an. Die Geschichten sind interessant, realistisch geschrieben und man kann es kaum abwarten, jeden Abend neues von den Charakteren zu hören. Nach aber nur knapp fünf Stunden Spielzeit und ungefähr einer Woche im Spiel endet die Geschichte von Coffee Talk. Bei insgesamt zehn Hauptfiguren ist es doch viel zu wenig Zeit, um deren Geschichten wirklichen Freiraum zu geben. Man springt von einem Charakter zum Nächsten, obwohl man hier viel lieber ausgiebigere Dialoge und die Emotionen der jeweiligen Charaktere gesehen hätte. Trotz der kurzen Hauptgeschichte bietet diese allerdings mehrere Enden, welche aber während des Spielens nicht mit Hinweisen geschmückt oder thematisiert werden.