Eine fesselnde und vielschichtige Story gepaart mit den absurdesten Nebengeschichten serviert in einer kleinen, aber dafür prall gefüllten Spielwiese. Die in Japan schon lange gefeierte Spielereihe von SEGAs Ryu Ga Gotoku Studio, die im Westen als Yakuza bekannt ist, findet spätestens seit den Remakes auch im Westen immer mehr Anklang. Im Juni erschien bei uns dann Judgment, ein Spin-Off welches inhaltlich sehr ähnlich aufgebaut ist, aber eine andere Herangehensweise an die Geschichten bringt. Judgment ist zudem das erste Spiel, welches nicht nur mit deutschen Texten, sondern auch mit einer englischen Sprachausgabe erschienen ist.
Einer von hundert
99% aller Gerichtsverfahren in Japan enden mit einer Verurteilung und schwerwiegende Verbrechen sind meistens so gut wie verloren. Der aufstrebende Anwalt Yagami machte sich jedoch schnell einen Namen, als er den für Mord angeklagten Shinpei Okubo in einer aussichtslosen Situation freisprechen konnte. Der gewonnene Sympathie schwankte jedoch schnell um, als Shinpei erneut für Mord vor Gericht stand. Der junge Star der Anwaltskanzlei Genda war nun als der Bekannt, der einen Mörder hat laufen lassen. Yagami beendet daraufhin seine Karriere als Anwalt und startet seine eigene Detektei.
Wir schreiben nun das Jahr 2018 und in Kamurocho tauchen nach und nach die Opfer eines Serienmörders auf. Schnell wird Kyohei Hamura, der Kapitän eines lokalen Yakuza-Clans verdächtigt und vor Gericht gezogen. Unser Detektiv befindet sich erneut im Zentrum des Geschehens, als er sich den Ermittlungen anschloss um den Namen von Kyohei reinzuwaschen und den wahren Schuldigen zu finden.
Sweet Home Kamurocho
Wie schon im größten Teil der Yakuza-Reihe spielt das Geschehen von Judgment im von Fans bereits bekanntem Kamurocho, welches einem realen japanischen Stadtteiles in Tokio nachempfunden ist. Statt einer Open World haben wir hier wieder eine eher kleine, dafür aber lebendige Gegend, in der es in jeder Ecke etwas zu entdecken gibt und die vor Detailverliebtheit nur so strotzt. Jeder der bereits eine kleine Reise in die Welt von Yakuza gewagt hat, wird sich erneut wie Zuhause fühlen.
Kernelement ist neben der intensiven Story, die euch primär in Form von teils langen Dialogen und Zwischensequenzen erzählt wird, natürlich auch die unzähligen, teilweise total abgedrehte Nebenaufgaben und natürlich die Kämpfe. Die einzelnen Aufgaben werden, wie es bei einem Detektiv sein muss, als zu lösende Fälle an euch herangetragen. Das Lösen bringt euch Geld und Erfahrungspunkte, die ihr gegen Status-Upgrades, neue Moves oder extra Boni eintauschen könnt, die euch die verschiedensten Vorteile bringen. Trifft ihr beim Spazieren auf eine Gruppe Gegner, geht es, wie bereits durch die Yakuza Remakes eingeführt, nahtlos in die Kampfphase über, in der ihr eure Wiedersacher mit brutalen Schlägen und Tritten in die Schranken weisen könnt. Der Protagonist verfügt dabei über zwei Kampfstile, die euch entweder gegen einzelne starke Gegner oder gegen eine größere Gruppe einen Vorteil bieten. Die Kämpfe auf offener Straße sind meist schnell und optisch ansprechend und das dynamische wechseln der Schwierigkeit sorgt dafür, dass es nicht zu Frustmomenten oder Langeweile kommt. Ein schönes Feature ist, dass man den Kämpfen auch ohne weiteres entfliehen kann, sollte man gerade keine Lust haben. Die Kämpfe gegen größere Bossgegner, die ihr im Laufe der Geschichte besiegen müsst, sind zudem actionreich mit kleinen Quick-Time-Events inszeniert.
Abschließend haben wir natürlich auch die Möglichkeit unsere Zeit im liebevoll gestaltetem Kamurocho zu verbringen. Wie in jedem Spiel hat man auch hier wieder einzigartige Minispiele, die den erneuten Besuch der immer gleichen Spielewelt nicht zu langweilig werden lässt. Das größte Manko ist jedoch, dass man in der Summe dennoch gefühlt weniger Aktivitäten zur Auswahl hat.
Die Aufgaben eines Detektivs
Komplett neu sind die Spielmechaniken die besonders bei euren Aufgaben als Detektiv zu tragen kommen. Je nach Situation müsst ihr euren Zielpersonen unbemerkt folgen oder beim Versuch zu fliehen einholen. Kommt es zu Ermittlungen, müsst ihr wie bei einem Point- und Click Adventure passende Hinweise suchen und diese in Dialogen richtig einsetzen. Diese und weitere Spielmechaniken sind jedoch so konzipiert, dass man keine wirklichen Fehler machen kann. Der eher seltene und meist unspektakuläre Einsatz dieser stört zwar nicht immens, allerdings würde man diese auch nicht wirklich vermissen. Wirklich unverständlich hier ist nur, dass man für manche Räume einen Schlüssel braucht. So müsst ihr zum Beispiel beim Betreten mancher Räume immer wieder den richtigen Schlüssel an eurem Schlüsselbund auswählen. Da man schon sehr früh im Spiel die Funktion freischalten kann, dass einem der richtige Schlüssel immer angezeigt wird, ist das ganze eher nur ein unnötiger Bruch im Spielfluss.
Die Yakuza-Formel funktioniert
Judgment macht fast alles richtig. Die Story wird mit jedem Kapitel intensiver und fesselnder, und auch die verfügbaren Nebenaktivitäten steigen mit eurem Spielfortschritt. Schade ist es, dass man zwar eine verringerte Anzahl an Aktivitäten, dafür aber nur zwei komplett Neue hat. Diese sind zwar auch nach mehrerem Spielen noch spaßig, aber ein bisschen mehr Abwechslung hätte hier nicht geschadet. Auch eine der Gameplay-Mechaniken wirken eher unnötig und bieten keinen spielerischen Mehrwert. Dennoch werden Fans der Reihe nicht enttäuscht und Judgment schafft mühelos den Spagat zwischen urkomischen und banalen Nebengeschichten und einer wirklich ernsten und thematisch anspruchsvollen Story.