Als eines der momentan wenigen angekündigten AAA-Exklusivtitel für die PS4 für das Jahr 2019 hat Days Gone eine große Last zu tragen. Dabei hilft es wenig, dass schon seit der Ankündigung von diesem neuen Spiel von Bend Studio, die Erwartungen und die Vorfreude immer relativ gedämpft waren. Das Zombie-Setting schien bereits 2017 völlig ausgemolken, der Hauptcharakter Deacon St. John wirkte in den ersten Trailern ebenfalls mager, das Konzept der Open-World und das Kerngameplay nebelig und schwer einschätzbar. Die Spielergemeinschaft wusste nicht ganz so recht, was denn genau die Vision oder das Endprodukt hier sein sollte. Als dann Days Gone sich auf der Gamescom u.a. noch technisch sehr wackelig präsentierte und kurz darauf die erwartete Verschiebung des Veröffentlichungstermins auf April statt Februar angekündigt wurde, fiel die Erwartung der Spieler komplett ab. Doch dies kann auch etwas gutes sein. Niedrigere Erwartung führt generell zu besserer Rezeption.
Wie ist das Sorgenkind von Bend Studio nun letztendlich geworden? Um kurz vorwegzugreifen: Die Omen schienen doch ein einigermaßen gutes Bild davon zu zeigen, wie Days Gone letztendlich werden sollte.
Die berüchtigte Checkliste
Was Days Gone für viele noch einigermassen im Aspekt der Vorfreude zu retten vermochte, war, dass Bend Studio doch einen relativ großen Fokus auf die Narrative zu legen schien. Darum ist es auch umso enttäuschender, dass das Spiel genau hier am meisten versagt.
Die Hauptgeschichte sowie die Nebengeschichten spielen sich hier so, als hätten die Schreiber sich ordentlich an anderen, erfolgreichen Zombie- und/ oder Postapokalypsen-Storys bedient.Wir haben eine Art Rachemotiv für den Hauptcharakter Deacon, eine typische Regierungsverschwörung, eine Suche nach einer Heilung, Konflikte zwischen Fraktionen, die alle auf Machtgier hinauslaufen; Die Geschichten haken eine Genrekonvention nach der Nächsten ab und verlieren dadurch jegliche emotionale Ladung und Überraschung, auch weil Days Gone es selten schafft diesen Geschichten einen befriedigenden Höhepunkt oder Abschluss zu geben. Fast alles versandet langsam und antiklimaktisch, wirkt zu sehr langgezogen oder abrupt abgebrochen. Es muss nicht unbedingt etwas schlechtes sein, seine Geschichte nach Konventionen zu bauen, aber wenn wirklich keinerlei oder zu wenige eigene kreative Ideen drin sind oder diese bekannten narrativen Strukturen nicht sehr gut durchgeführt und abgeschlossen werden, kommt niemals wirklich Fahrt auf. Es wirkt fast immer so als hätte man als Spieler genau dieselben Geschichten schon einmal irgendwo gesehen. Nur das dort die Erzählung und die darin enthaltenen Figuren besser funktionierten.
Der Protagonist Deacon St. John wird sich wohl in die Reihe an tollen Sony-Protagonisten wie Nathan Drake, Joel und Ellie, Kratos, oder Aloy als eine der blassesten und schwächsten eingliedern. Der Spieler erfährt zu wenig über ihn, seine Rückblenden zu seiner Beziehung mit seiner Freundin und seinem Leben vor der Katastrophe sind unglaublich ungelenk eingestreut und gestaltet. Nicht nur dass die Rückblenden spielerisch seltsam angetackert wirken, sie funktionieren auch für die Geschichte nur bedingt. Man bekommt Einblicke in süsse (aber auch künstlich wirkende) Momente ihrer Beziehung, oder kritische Ereignisse während der Katastrophe, jedoch nie einen erdenden, sympathischen Einblick in ihr normales Leben. Man erinnere sich an das Intro von The Last of Us: Obwohl die Sequenz, in der man mit Joels Tochter kurz durch ihr Haus läuft bevor die Apokalypse ausbricht nur wenige Minuten geht, reicht dies schon um beide als reale, greifbare Figuren zu etablieren. Der Spieler fängt danach an sich um sie zu sorgen und emotionale Ladung tritt ein. Dahingegen wirken Deacon und Sarah sehr seicht und an Konventionen herbeikonstruiert. Ähnliches gilt ebenfalls auch für die vielen Nebencharaktere hier, die mit ihren kleinen Dialogen und Interaktionen mit Deacon nur wenig Sympathie und Tiefe zu erzeugen mögen.
Erzählerische Tiefe ist nicht unbedingt notwendig, damit eine Geschichte funktioniert. Figuren können auch flacher geschrieben sein, die Geschichte auch weniger substanziell damit sie den Spieler reinzieht, wenn dabei aber andere Dinge besser funktionieren und das Spiel seiner Geschichte nicht soviel Wichtigkeit zumisst. Jedoch nimmt sich Days Gone durchgehend so ernst und präsentiert sich in einer Art, die schlicht suggeriert, dass das Spiel wirklich versucht eine gewisse Substanz herüberzubringen und es auch glaubt dies zu schaffen. Ständig wird das Spiel mit relativ langen Zwischensequenzen unterbrochen, ständig wird ausschweifend miteinander gesprochen und damit versucht die Welt oder die Figuren zu vertiefen. Nur funktioniert dies überhaupt nicht.
Der Retter in der Not
Was die Geschichte von Days Gone nicht schafft, macht die Spielwelt und das Gameplay wieder etwas wett. Die Welt von Days Gone, eine Art American-Mid-West, das mit dem Zombie-Setting sehr an die TV-Serie The Walking Dead erinnert, ist wunderschön und fühlt sich wunderbar bodenständig, ruhig und stimmig an. Die doch teilweise dichte Atmosphäre, die Days Gone zu erzeugen vermag, stammt hauptsächlich aus dem visuellen und spielerischen Leveldesign dieser Welt und ihrer Verknüpfung mit den Gameplay-Elementen. Die verschiedenen Siedlungen, bewohnt von Menschen oder von den sogenannten Freakern, sind ebenfalls immer abwechslungsreich gestaltet, mit viel Liebe zum Detail, sowohl in den Gebäuden, als auch aussen. Selbst etwas environmental-storytelling wird betrieben, also kleine Geschichten, die sich stumm anhand der Gestaltung der Welt erzählen, auch wenn sich dieses in Grenzen hält. Das einzige, was teilweise auffällt, ist, dass sich interne Designs von einzelnen Zimmern oder ganzen Häusern wiederholen, was doch etwas schade ist, dem Gesamtbild aber nicht zu sehr schadet.
Die Spielelemente von Days Gone ergänzen das Weltdesign ganz gut. Der Kern hier ist vor allem das Schleichen, was hart genug gehalten wird, um ein gewisses Spannungs- und Konsequenzgefühl für den Spieler zu erzeugen, aber auch locker genug ist, damit die anderen Spielmechaniken noch mithalten können und das Ganze nicht zu frustrierend wird. Dementsprechend ist auch die gesamte Loot- und Craftmechanik einigermassen locker gehalten, fühlt sich aber immer noch sehr befriedigend an. Man wird dazu motiviert die Orte zu erkunden und alles mögliche mitzunehmen, sowohl kleine Geschichten am Straßenrand, als auch die Werkzeugteile um das Motorrad zu reparieren oder Materialien um Heilmittel zu bauen.
Das Motorrad selber ist ebenfalls ein kleines Highlight des Spiels. Die ganze Benzinmechanik mag auf ersten Blick etwas nervig erscheinen, da sie auch wirklich langes, sorgloses Erkunden am Stück verhindert. Jedoch fügt sie sich nach Angewöhnung perfekt ein und macht, zusammen mit den Gestaltungsoptionen und des wunderbar gewichtigen und realistischen Fahrgefühls, das Motorrad zu einem eigenen Charakter des Spiels, an dem man sogar geringfügig emotional hängt.
Die restlichen Spielemechaniken halten sich relativ zweckmässig: Das Schiessen ist irgendwie nicht ganz so satt und befriedigend wie es hätte sein können, das Jagen und Spurenlesen ist kaum der Rede wert. Generell lässt sich Days Gone ganz gut mit Far Cry 5 vergleichen. Man erhält eine große Spielewelt, die gefüllt ist mit Feindeslagern, Zombienestern und weiteren Collectibles, die einem relativ lahm und faul präsentiert werden. Auch die Quests holen zwar das meisten im Gameplay heraus, könnten aber eine bisschen aufregendere Inszenierung gut vertragen. Deacon spielt sich ähnlich wie in Red Dead Redemption 2 sehr entschleunigt und schwer, was auch wieder für manche zu zäh und schwammig erscheinen mag, die Welt hier und das allgemeine Spielgefühl aber sehr gut ergänzt. Das Spiel fühlt sich dadurch bodenständiger und realistischer an.
Technische Achterbahn
Man merkt doch, dass Bend Studio hier ordentliche Arbeit am bestmöglichen Feinschliff der reinen grafischen Aspekte geleistet hat. Die Fernsicht ist brillant, die Licht-, Wind- und Soundeffekte ebenfalls. Doch dies scheint hier auf die Kosten der Animationen und des Bugfixings gegangen zu sein, denn Days Gone leidet unter einigem davon. Die Animationen sowohl der Figuren als auch der Welt ist teilweise eher belustigend und abgefahren, auch wenn dies zum Glück nicht groß ausartet. Das eher größere Problem sind die Bugs und Glitches, worin sich das Spiel nicht wirklich rund anfühlt. Questgeber/-nehmer, die nicht an ihren Orten erscheinen, Zombiehorden, die aus dem Nichts bei Nacht spawnen und den Spieler sofort umbringen, das Motorrad, das in Steinen stecken bleibt, teilweise Spieleabstürze, sind Teile dieser Probleme. Ebenfalls scheint das Spiel enorme Schwierigkeiten zu haben, die großen Siedlungen zu laden, da es häufig zu bis zu 15-sekündigen, doch sehr starken Frameeinbrüchen kommt. Technisch ist Days Gone, wie auch insgesamt, eher ein Auf und Ab.