Nachdem die wohl berühmteste Horror-Reihe der Welt mit Resident Evil 7 sich zuletzt wieder von den eher Action-lastigeren Ablegern Resident Evil 5 und 6 abwandte, und auf seine ursprünglichen Grusel-Pfade zurückkehrte, stiegen die Erwartungen an Entwickler und Publisher Capcom enorm. Nach vielen Jahren, in denen die Serie nur noch im japanischen Raum Anklang fand, mit seiner Abwendung von purem Horror und seiner Zuwendung zu eher schnellerer Action mit Grusel-Elementen, stand die Serie plötzlich wieder im Rampenlicht der gesamten Welt. Resident Evil 7 zeigte, dass die Reihe, die 1996 quasi das Survival-Horror Genre gegründet hat, immer noch in der modernen Welt dieses Genres mitspielen kann.
Dementsprechend hoch war die Begeisterung als ein Remake von Resident Evil 2 angekündigt wurde, dass heute noch in vielen Listen zu den besten Spielen aller Zeiten auftaucht. Der Klassiker sollte mit der hochgelobten RE Engine grafisch auf ein zeitgemäßes Niveau gebracht werden, veraltete technische Mechaniken wie die fixierten Blickwinkel durch völlige Beobachtungsfreiheit ersetzt werden.
Diese Review soll hauptsächlich Resident Evil 2 als eigenständiges Spiel bewerten, da die meisten den Klassiker aus 1996 wohl nicht gespielt haben wird. Eines der Ziele von Capcom war es von Anfang an das legendäre originale Spiel für ein Publikum wiederzubeleben, das aufgrund zeitlicher Umstände niemals dazu gekommen ist, dieses zu spielen. Deshalb soll es hier weniger darum gehen, welche Elemente wie übernommen worden sind, sondern eher darum wie sich Resident Evil 2 als modernes Horrorwerk spielt und präsentiert und ob dieses alte Grundgerüst überhaupt in die Moderne übertragen werden konnte. Ohne Frage hat Resident Evil 2 dies nicht nur geschafft, sondern auch ein Vorbild geschaffen, wonach alle zukünftigen Remakes streben sollten, doch nicht ohne seine Schwachstellen.
Bodenständiger Horror
Was viele überraschen mag ist, wie Resident Evil 2 überhaupt mit Horror umgeht. Die Angstsituationen, die Resident Evil 2 erzeugt sind eher pointiert und kurz, immer wieder unterbrochen von Pausen, die dem Spieler gegönnt werden. Das Spiel hält seinen Horror relativ bodenständig, setzt hier und da mal wieder einen Schatten oder ein seltsames Geräusch, oder einen der sehr zähen Zombies hin, aber lässt dem Spieler dabei, wie er diese potenziell angsteinflößende Situation angehen möchte, eine relativ große Freiheit. Dem Spieler steht es oftmals frei, ob er sich nun einer gewissen Situation stellen oder lieber woanders in der offenen Welt der Polizeistation u. a. weitererkunden möchte, ob er einfach durchrennen oder lieber die Untoten taktisch ausschalten will. Diese Freiheit die Resident Evil 2 liefert geht auf die Kosten der Horrorintensität, erhöht aber das Belohnungsgefühl, das man nach dem Lösen einer Situation verspürt. Es ist zwar immer eine permanent gespannte Atmosphäre vorhanden, doch erreicht diese niemals unglaubliche Höhen und grenzt fast an Unerträglichkeit wie beispielsweise bei Hideo Kojimas P.T. Aber das scheint Resident Evil 2 auch gar nicht erreichen zu wollen, da man für diese sehr intensiven Horrorerfahrungen wohl eher ein lineares Spieldesign bevorzugen würde, statt ein so offenes wie hier. Stattdessen möchte man hier dem Spieler so wenig wie möglich die Kontrolle abnehmen und vertraut auf eine gewisse dynamische und organische Entstehung von Horror. Von dieser offenen Spielstruktur profitiert vor allem das Spielgefühl abseits des Horrors. Das Spiel bietet eine für sein Genre doch vielfältige Anzahl an Spielmechaniken und spielmechanischer Tiefe. Das Schießen fühlt sich sehr satt an, taktisches Vorgehen und Neugier werden belohnt. Dadurch wird die Motivation durch ein starkes Belohnungsgefühl stets hochgehalten und es stellt sich beinahe ein kleines Suchtgefühl ein, je mehr Rätsel und Gefahrsituationen gelöst werden. Dies wird durch streng begrenzte Ressourcen, die der Spieler findet und sparen muss, nur noch mehr verstärkt. Allein die Bosskämpfe werden zuweilen sehr nervig und eintönig und bilden sicherlich den qualitativen Tiefpunkt des Spiels.
Resident Evil 2 ist tatsächlich beinahe mehr Rätselspiel als Horrorspiel. Die Rätsel an sich sind nicht sehr komplex oder wirklich realistisch, belohnen aber Investition und Erinnerungsvermögen, sowie genaue Untersuchung der Umgebungen und tragen damit maßgeblich zu diesem vorhin erwähnten Suchtpotenzial bei. Das Spiel fühlt sich dabei ähnlich an wie ein Metroidvania-Spiel: Rätsel um Rätsel werden gelöst und somit Stück für Stück die offene Welt immer mehr zugänglich und grösser gemacht.
Von Schablonen-Figuren und Köder-Storys
Der Bereich, in dem Resident Evil 2 ebenfalls sehr unkonventionell wirkt, ist dass es beinahe keinen narrativen Fokus hat. Moderne Horrorspiele vertrauen beinahe nur noch auf ihre Storys und lassen das Gameplay etwas dünn zurück, während Resident Evil 2 genau andersherum funktioniert. Die Hauptgeschichte, sowie kleinere Nebengeschichten wirken hier eher wie magere Köder, die nur dazu da sind, damit ein Grund existiert, weshalb man überhaupt gerade in einer Stadt voller Untoter herumläuft. Die Story schwächelt sehr, wenn sie denn gerade überhaupt vorhanden ist. Die meiste Zeit wird lediglich ein MacGuffin, also ein Gegenstand, der keine wirkliche Bedeutung für die Geschichte hat und nur dazu da ist die Story voranzutreiben, als Ziel gegeben, den er dann suchen muss. Mehr narrativen Wert hat Resident Evil 2 mit Ausnahme des letzten Aktes nicht wirklich. Genauso liefern die verschiedenen Spieldurchgänge, mit den jeweils anderen Charakteren und die B-Routen, die man später freischaltet auch nicht extrem viel Mehrwert.
Die Figuren Leon und Claire sind an sich auch etwas verschenktes Potenzial, funktionieren aber im Kontext des Spiels ganz gut. Da der Fokus auf dem Gameplay liegt und nicht auf der Geschichte, erhalten Leon und Claire ebenfalls relativ wenig Hintergrund und Tiefe, aber sind dennoch Charaktere die man als Spieler sympathisch findet. Das ist immerhin das wichtigste an Horrorspielfiguren, da dadurch die Atmosphäre und die Involvierung des Spielers in den Horror funktionieren.
Meisterhafte Präsentation
Was seine technischen Aspekte angeht ist Resident Evil 2 das Maß seines Genres. Die Grafik und die selten eingesetzte Musik treiben die Atmosphäre hoch, durch das Voice-Acting fühlen sich die Figuren fast schon real an. Die eigentlichen Gewinner hier sind aber die Spiele mit der Beleuchtung und das grandiose Sounddesign.
Resident Evil 2 spielt mit Licht und Dunkelheit auf unglaubliche Art und Weise. Manchmal ist das einzig sichtbare in einem Raum der Lichtkegel der Taschenlampe, manchmal schimmert ein Ganges im kalten blauen Licht des Mondes, manchmal Schatten huschen fast unsichtbar über die Wände. Und gelegentlich fühlt sich die sichere Beleuchtung einer Safe-Zone fast schon so entspannend an, als ob sie den ganzen Körper des Spielers in wohlige Wärme taucht.
Genauso ist das Sounddesign von Resident Evil 2 so knackscharf und realistisch, dass es einem schon beim stillen Gang durch einen Korridor eiskalt den Rücken hinunterläuft, wo nur die Schritte von Leon auf zerbrochenen Glas und morschem Holzboden an den Wänden widerhallen. Subtiler, bodenständiger Horror, aber dennoch enorm effektiv.